Der Flirt
dienstleistungsorientierten Berufe machen wir uns ein grundlegendes menschliches Bedürfnis zunutze. In unserem Fall ist dieses Bedürfnis der Wunsch, geliebt zu werden. Die meisten Menschen möchten geliebt werden, aber sie wollen nichts dafür tun. Sie wollen schlicht, dass irgendein attraktiver Fremder wie der Blitz aus heiterem Himmel daherkommt und sie unwiderstehlich findet. Wenn es nur einen Hauch komplizierter wäre, wären wir bald arbeitslos.«
Das kam ihm ein wenig zu bekannt vor. Leticia war eine schöne Fremde gewesen, die ihn in einem Bus verführt hatte. In der einen Minute war er noch allein gewesen, einsam, in der nächsten bis über beide Ohren verliebt. Doch war dieses Feuerwerk der Emotionen Liebe gewesen oder etwas ganz anderes?
Die Frage machte ihm Angst, und er verdrängte sie rasch.
»Also«, fuhr Flick forsch fort, »wir haben den Auftrag bekommen, uns um eine Frau am Chester Square zu kümmern − eine wohlhabende, elegante, kultivierte und sehr bekannte Frau namens Olivia Bourgalt du Coudray.«
»Verheiratet mit diesem Tennisball-Typ, richtig?«
»Genau.« Sie nahm ihre Brieftasche heraus.
»Oh, bitte! Erlauben Sie mir!«
Flick sah ihn an. »Haben Sie überhaupt Geld, Hughie?«
»Nein, an sich nicht. Aber ich habe eine Amex-Karte.«
»Darf ich später noch einmal darauf zurückkommen?« Sie nahm einen Zehner aus der Brieftasche und reichte den Schein dem Kellner. »Kommen Sie.«
Sie traten hinaus in die Sonne.
Flick hakte sich bei Hughie unter. »Sehen Sie, die Wahrheit ist, dass niemand sich je in jemand anderen verliebt als in sich selbst. Liebe ist ein Spiegel; eine reflektierende Oberfläche, die denjenigen projiziert, der wir gerne sein würden. Worauf wir alle warten, ist jemand, der vorbeikommt und uns etwas Neues an uns zeigt, das wir lieben können. Und dann, weil jemand uns liebt, lieben wir uns selbst auch. Klingt das logisch?«
Hughie brummte. Das wurde ihm allmählich ein wenig zu philosophisch. Abgesehen davon war gerade ein Glücklicher in einem neuen TVR vorbeigefahren.
Flick nahm sein Brummen als Zeichen der Bewunderung für ihre tiefschürfenden Erkenntnisse. »Also, ein guter Cyrano«, fuhr sie fort, »ist eine Kombination aus Unerschrockenheit und Nichtverfügbarkeit. Doch der Anfang ist immer leicht. Und deshalb gehen wir als Erstes zu Smythson’s.«
»Was ist ein Cyrano?«
»Ah« - sie lächelte -, »ich dachte schon, Sie würden nie fragen!«
Die Geschichte des Cyrano
(Ein weiterer Diskurs)
Während der finsteren Tage des Zweiten Weltkriegs, als London nur noch ein schwelender Schatten seines vormaligen hochfahrenden Selbst war, wurde der Frisiersalon von Celia und dem Baron in St. James ausgebombt. Die beiden waren inzwischen älter und gebrechlicher; sie lebten von ihren Lebensmittelrationen und mieteten sich über einer Buchhandlung in der Curzon Street ein. Die jungen Männer, die bei ihnen gearbeitet hatten, waren alle eingezogen worden, einige waren verwundet worden, andere im Dienst in Europa, Afrika, sogar Japan gefallen. Eine Weile half ein sehr gut aussehender polnischer Flüchtling namens Milos aus. Er hatte ein lahmes Bein, und sein Englisch war verworren. Doch schließlich wurde er aufgegriffen und zur Arbeit in eine Munitionsfabrik nach Yorkshire geschickt. Mit dem Friseursalon war absolut nichts mehr zu verdienen; kaum eine Frau hatte das Geld für eine kunstvolle Frisur oder den Wunsch danach, die Frauen, die es sich leisten konnten, fanden keinen Gefallen daran, sich in einem Wohnzimmer über einer Buchhandlung einzufinden. Abgesehen davon blieb die Zeit nicht stehen. Dauerwellen waren ganz groß in Mode.
Kurz gesagt, die Welt ging zu Ende. Hitler marschierte ein, London war zerstört. Und alles Schöne war verschwunden.
Der Baron kam nicht gut damit zurecht. Er hatte sich einst aus eigener Kraft hochgearbeitet, hatte Größe erlebt, Liebe entfacht. Jetzt blieb ihm nur noch, den ganzen Tag im Laden
unten staubige antiquarische Bücher zu sortieren, während seine Frau Celia, eine begüterte Frau von gesellschaftlichem Rang, auf der Suche nach allem, was in den zerbombten Häusern an Wert zurückgeblieben war, die Straßen durchstreifte.
Doch das Leben will Liebe. Es verlangt danach.
Und so geschah es, dass an einem dunklen, mondlosen Abend im kältesten Wintermonat in der Zeit der Verdunklung, während Sirenen heulten, ein junger Mann in der Curzon Street klingelte.
Fluchend stolperte der Baron die schmale Treppe hinunter zur
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