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Der Flirt

Titel: Der Flirt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Tessaro
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das könnte«, gestand Olivia.
    »Sie könnten, wenn Sie müssten. Man kann alles, wenn man muss, besonders für sein Kind.«
    Olivia antwortete nicht. Sie schloss die Vordertür auf und fragte: »Geht es Ihnen so weit gut, dass Sie allein nach Hause kommen? Oder soll ich Ihnen ein Taxi rufen?«
    »Ein Taxi?«
    Sie stieß einen Laut aus, als hätte Olivia ihr vorgeschlagen, per Luftbrücke nach Hause zu fliegen.
    »Nein, ich nehme die U-Bahn. Eigentlich« - Red rührte sich nicht und zupfte an einer Haarsträhne, die sich gelöst hatte - »wollte ich mit Ihnen über etwas reden.«
    Olivia wandte sich ihr neugierig zu. »Selbstverständlich.« Sie schloss die Tür, dann zog sie zwei Stühle heran und klopfte einladend auf die Sitzfläche des einen. »Kommen Sie. Sagen Sie mir, was Sie auf dem Herzen haben.«
    »Nun, es ist nur so, dass … verstehen Sie« - Red senkte den Blick auf ihre Hände -, »die Sache ist die, dass … sehen Sie, ich muss es einfach sagen: Ich habe überhaupt keine Ahnung von Kunst.«
    »Oh!« Olivia lachte erleichtert auf. »Eine Minute lang habe ich mir wirklich Sorgen gemacht! Sie wissen alles über Kunst, was man wissen muss, Red! Sie haben zwei der vollendetsten Kunstwerke geschaffen, die ich je die Freude hatte zu präsentieren!«
    »Ja, aber …« Sie sammelte all ihren Mut zusammen und
sah Olivia in die Augen. »Ich muss reinen Tisch machen. Ich wollte das nicht. Es war Zufall.«
    »Oh. Ja!« Olivia nickte. »Das habe ich schon tausend Mal gehört. Wahre Kunst führt ein Eigenleben. Es ist, als würde das Universum zusammen mit Ihnen ein Werk erschaffen, und Sie sind nur Zeugin.«
    »Nun … gewissermaßen. Sehen Sie, es ist nicht so, als wäre ich auf der Kunstschule gewesen oder so.«
    »Vincent van Gogh hat auch keine Kunstschule besucht.«
    »Sie verstehen mich nicht …«
    Olivia lächelte. »Ich glaube, ich verstehe Sie sehr gut. Schauen Sie, es ist Ihre erste Ausstellung, und Sie machen sich Sorgen, was Sie der Presse und den Kritikern sagen sollen.«
    »Aber ich bin eine Betrügerin!«
    »Red, ich will nicht, dass Sie so reden! Das sind nur die Nerven! Sie stehen unter großem Druck. Aber« - sie nahm ihre Hände - »ich bin hier, um Ihnen zu helfen. Wir stehen das gemeinsam durch. Wissen Sie was? Es ist auch meine erste Ausstellung!«
    »Ehrlich?«
    »Ich habe noch nie eine Ausstellung kuratiert oder geholfen, die Künstler auszuwählen, oder mich um die Gästeliste gekümmert. Wir sitzen im selben Boot!«
    »Glauben Sie?«
    »Absolut! Aber das ist kein Grund für uns, aufzugeben, oder?«
    »Wahrscheinlich nicht.«
    Olivia stand auf und ging auf und ab. »Sie waren also nicht auf der Kunstschule. Nun, warum sollten wir daraus ein Geheimnis machen? Es ist doch vielmehr ein Pluspunkt. ›Red Moriarty: ein vollkommen unverfälschtes britisches Naturtalent!‹ Die Medien hassen alles, was etabliert ist.
Aber sie lieben den Mythos von Athene − die Idee, dass Menschen einfach auftauchen, voll ausgebildet, ohne jede Anstrengung. Sie passen da wunderbar hinein! Wenn ich’s mir recht überlege, werde ich eine Presseerklärung rausschicken!« Sie wurde ganz aufgeregt. »Was hat das mit Kunst zu tun? Das ganze vergangene Jahrhundert haben wir uns die Frage gestellt: ›Was ist Kunst?‹ Und die Antwort lautete immer: ›Kunst ist das, was der Künstler sagt.‹ Wir sind noch einen Schritt weitergegangen: Wir fragen: ›Was ist ein Künstler? ‹ Sehen Sie das nicht, Red? Es ist revolutionär!«
    Red war noch nicht recht überzeugt. »Also, wenn Sie glauben, dass es funktioniert.«
    »Das wird es. Versprochen.« Olivia drückte ihr die Schulter. »Und jetzt wird’s Zeit, dass Sie nach Hause gehen und sich ausschlafen. Ihnen steht Großes bevor, und ich möchte, dass Sie in bester Verfassung sind.«
     
    In der U-Bahn-Station ging Rose den Bahnsteig entlang, den Blick auf ihre Schuhe gerichtete.
    Sie kam sich vor, als wäre sie die Einzige auf der Party, die den Witz nicht verstand. Das wäre an sich nicht so schlimm, wenn der Witz nicht ihr gelten würde.
    Rose schaute auf. Die U-Bahn kam.
    Doch sie stieg nicht ein.
    Die Türen glitten auf und wieder zu, und schon rauschte die U-Bahn in der staubig-warmen Dunkelheit des Tunnels davon.
    Vor ihr, dem Bahnsteig gegenüber, drei Meter hoch, war ein riesiges Plakat von Mrs. Hendersons Sessel.
    »Versäumen Sie nicht die Next Generation Show in der Mount Street Galerie!«
    Rose starrte lange darauf.
    »Verdammt«, beschloss sie und drehte

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