Der Fluch Der Bösen Tat
Simon war kein böser Mensch, nur fehlerhaft. Hat es Sie nicht überrascht, als ich Ihnen all das erzählt habe?«
»Ich bin nur selten überrascht.« Jetzt war James Holland an der Reihe mit einem ironischen Grinsen.
»Und da Sie es bereits Alan und Meredith erzählt haben, nehme ich an, Sie hielten es für klug, auch mit mir darüber zu sprechen.«
»Für den Fall, dass die beiden es erwähnen? Das würden sie nicht tun. Die beiden sind … sie sind ein sehr diskretes Paar, oder nicht?« James lachte auf.
»Alan ist äußerst diskret, so viel steht fest. Ich weiß nicht, ob Meredith immer diskret ist, aber sie ist eine besonnene Person.«
»Bei der Gerichtsverhandlung …«, begann Ruth zaghaft,
»… bei der Gerichtsverhandlung habe ich mich für einen kurzen Augenblick gefragt, ob Simon, nachdem er mich wiedergesehen hatte, in den Wald gegangen und etwas Unbesonnenes getan haben könnte, in einem Anfall von später Reue.«
»Ah. Sie meinen Selbstmord.«
»Aber dann dachte ich, sei nicht albern, Ruth. Ganz sicher hat er nichts dergleichen getan! Jemand hätte seinen Leichnam gefunden, und außerdem kannte ich ihn gut genug, um zu wissen, dass es nicht sein Stil war. Er war verlobt und wollte eine andere Frau heiraten, das haben sie bei der Gerichtsverhandlung gesagt. Endlich hatte er jemanden gefunden, den er heiraten wollte. Ich kann nicht sagen, dass es mir nicht wehgetan hätte, als ich davon erfuhr. Aber so war Simon nun mal. Er schüttelte unangenehme Erfahrungen oder Fakten einfach ab und ging unbeeindruckt weiter seinen Weg. Ich denke, ›alles prallte an ihm ab wie Wasser‹ ist ein Ausdruck, der wie geschaffen war für Simon Hastings.« Pater Holland nickte.
»Ich kenne selbst eine Reihe von Menschen, die so sind.« Sie bedachte ihn mit einem weiteren hastigen Blick.
»Bitten Sie mich nicht, Hesters Mörder zu vergeben. Das kann ich nicht.«
»Als abstraktes Konzept verstehe ich, dass Ihnen das nicht möglich ist. Lassen Sie sich Zeit. Wenn wir wissen … na ja, wenn die Polizei fertig ist mit ihren Ermittlungen, hoffentlich mit Erfolg, dann ist die Zeit gekommen, die Geschehnisse zu verarbeiten – genauso, wie Sie irgendwann verarbeitet haben, dass Sie als junge Frau und werdende Mutter verlassen wurden.«
»Sie meinen, wenn die Polizei den Mörder gefunden hat. Wie kann die Polizei erfolgreich sein, wenn Hester immer noch tot ist?«, fragte Ruth.
»Ich sollte lieber denken, dass Hester nun Frieden gefunden hat, meinen Sie nicht? Aber ich bin selbstsüchtig und will Hester zurück, hier bei mir! Sie hat nicht verdient, was man ihr angetan hat!«
»Nein«, sagte Pater Holland.
»So etwas hat niemand verdient. Genauso wenig, wie Simon Hastings verdient hat, was ihm widerfahren ist, was auch immer es gewesen sein mag. Das Leben erscheint uns häufig voller Ungerechtigkeiten. Wir alle haben Mühe, das zu begreifen. Vielleicht fällt es uns heutzutage noch schwerer als früher, nachdem wir alle glauben, eine vollkommene Welt schaffen zu können. Wir experimentieren mit der Gesellschaft, wir machen ständig neue Fortschritte in der Medizin, wir bringen alles ins Lot, oder jedenfalls erscheint es uns so. In Wirklichkeit ist es jedoch anders, und wenn wir mit dieser Tatsache konfrontiert werden, regt sich Widerstand in uns.«
»Sie glauben, dass Simon ermordet worden sein könnte, nicht wahr?«, fragte Ruth.
»Ich stelle mir die gleiche Frage. Denkt die Polizei das ebenfalls?«
»Die Polizei ist an die Entscheidung der Gerichtsverhandlung gebunden. Es gab keinerlei Hinweise, dass Simon Hastings Opfer eines Verbrechens wurde. Es geschieht nicht selten, dass junge, anscheinend gesunde Männer von einer Sekunde auf die andere tot umfallen. Wäre der Leichnam damals rechtzeitig gefunden und eine Autopsie vorgenommen worden …« Holland brach ab.
»Entschuldigung«, sagte er einmal mehr.
»Die Reihe ist wohl eher an mir, meinen Sie nicht?«, entgegnete Ruth offen.
»Ich war schließlich diejenige, die sich nicht bei der Polizei gemeldet und ausgesagt hat, ihn gesehen zu haben, als er damals verschwand. Und das war der Grund, warum er nicht gefunden wurde.«
»Vielleicht hätte die Polizei ihn trotzdem nicht gefunden, selbst wenn Sie ausgesagt hätten. Falls, und es ist ein weit hergeholtes Falls, Simon Hastings ermordet wurde, hätte der Mörder den Leichnam mit Sicherheit versteckt. Dass bis vor kurzem niemand eine Spur des Toten gefunden hat, legt die Vermutung nahe, der Leichnam wäre
Weitere Kostenlose Bücher