Der Fluch Der Bösen Tat
von zahlreichen verborgenen Augen ringsum beobachtet zu werden. Das Gefühl, verfolgt zu werden, das sie bereits auf der Straße gehabt hatte, kehrte mit aller Macht zurück. Sie wirbelte herum. Nichts. Doch das unheimliche Gefühl wurde von Minute zu Minute stärker, bis der Augenblick kam, an dem sie mit absoluter Sicherheit wusste, dass sie nicht allein im Wald war. Irgendetwas – irgendjemand? – verfolgte sie. Jede Faser, jede Nervenzelle in ihrem Körper sagte das Gleiche. Sie konnte es nicht sehen, nicht hören, nicht riechen, doch ihre Haut kitzelte, und ihre Sinne waren unnatürlich geschärft. Die Zivilisation fiel von ihr ab, und sie begann, sich anders zu bewegen. Sie setzte die Füße vorsichtig auf den von Tannennadeln übersäten Boden, den Kopf hoch erhoben und unablässig auf Bewegungen in ihrer unmittelbaren Umgebung achtend, angestrengt auf das leiseste Geräusch lauschend, während uralte, schlafende Instinkte erwachten und die ältesten Überlebenstechniken erforderlich wurden, die von Jäger und Gejagtem. Sie war beides zugleich – auf der Jagd nach Alan und auf der Flucht vor etwas Unbekanntem – vor wem? Sie bedauerte längst, den Schirm zurückgelassen zu haben. Er hätte sich als eine Art Waffe benutzen lassen, ein Mittel, um einen Angreifer auf Abstand zu halten. Erneut rief sie Alans Namen, und diesmal hatte sie Mühe, die Panik aus ihrer Stimme zu halten. Ganz, ganz schwach glaubte sie eine Antwort zu hören, und ihr Herz machte einen Satz. Eine Woge der Erleichterung überflutete sie. Er war vor ihr. Er war nicht weit entfernt. Sie war nicht allein im Wald, doch es war Alan, der in ihrer Nähe war. Und dann hörte sie es zu ihrer Rechten. Ein Knacken von einem Zweig, als wäre jemand darauf getreten. Meredith erstarrte, und das Herz schlug ihr bis zum Hals.
»Hallo?«, rief sie aus. Keine Antwort. Sicher, es gab Tiere in diesen Wäldern. Vielleicht war es ein Reh gewesen. Ja, bestimmt war es ein Reh gewesen. Meredith eilte weiter. Alan ist ein Stück weit voraus. Sie wiederholte die Worte wie ein Mantra. Er hatte ihr Rufen gehört. Er würde ihr entgegenkommen. Und doch, hinter ihr, irgendwo ein Stück weit rechts, war irgendetwas. Es folgte ihr, hielt mit ihr Schritt. Doch so angestrengt sie auch unter den Bäumen hindurch in die Richtung spähte, sie vermochte nichts zu entdecken. Weitere Zweige knackten. Bald meinte sie angestrengtes Atmen zu hören. Es musste Einbildung sein. Ganz bestimmt. Es musste Einbildung sein. Plötzlich fand sie sich auf einer kleinen Lichtung wieder, vollkommen unvermittelt und ohne Vorwarnung. Im einen Augenblick war sie noch unter schützenden Bäumen hergelaufen, im nächsten stand sie draußen im Freien und am Rand einer Vertiefung. Wenn sie von irgendeinem lebendigen Ding verfolgt wurde, dann konnte es sie jetzt klar und deutlich sehen. In die Enge getrieben, dachte sie grimmig. Wie ein Stück Wild, das auf den Tiger wartet. Rings um den Rand der Vertiefung führten Wildwechsel unter die Bäume, wo sie sich verloren. Meredith wusste nicht, ob Alan hier entlanggekommen war, oder falls ja, welchem Wildwechsel er von hier aus gefolgt war.
»Alan!«, rief sie verzweifelt ein letztes Mal. Und dann war es plötzlich über ihr, sprang sie an, unter der dunklen Masse von Bäumen hervor, überwand den freien Raum, und das angestrengte Atmen war überlaut. Meredith wirbelte herum und riss den Arm hoch in einer instinktiven Geste, um ihren Kopf zu schützen. Ihr Verfolger war da, nicht länger ein unsichtbarer Schatten, sondern von Angesicht zu Angesicht, und der Anblick war erschreckend und verwirrend zugleich. Es war eine Frau, nicht jung, sondern im reiferen Alter, in weiten, bequemen Hosen und mit einer wasserdichten Jacke. Eine Frau mit eigenartig rosafarbenem Haar und starren Augen und weit aufgerissenem Mund. Eine Frau mit einem Metzgermesser in der Hand. Das Messer zischte durch die Luft und verfehlte Merediths Schulter nur knapp. Die Hand mit dem Messer ging erneut nach oben. Meredith packte sie und versuchte sie zu verdrehen und ihre Angreiferin zu zwingen, das Messer fallen zu lassen. Doch die fremde Frau war stark, unglaublich stark. Mit aller Kraft stieß Meredith sie von sich und entging einmal mehr dem wirbelnden Messer, dann wandte sie sich ab und rannte in die Richtung davon, aus der sie gekommen war. Sie war jünger und leichter. Sie sollte im Stande sein, ihrer Verfolgerin zu entkommen, wer auch immer sie war. Doch die Bäume, deren Schutz
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