Der Fluch Der Bösen Tat
der letzte Vikar der Gemeinde. Das bedeutet ihr eine Menge. Doch es gibt – gab – keine persönliche Assoziation für Hester. Die Frage lautet also, war sie ein besonders religiöser Mensch? Es sieht nach außen hin so aus, als wäre sie Kirchenvorsteherin geworden, weil Ruth es ebenfalls war und weil es für die beiden bequem gewesen ist, ihre Pflicht zu teilen und ein Auge auf die Kirche zu haben. Ich frage mich eben nur, verstehst du, ob sie im Gebet niedergekniet hat, weil sie Sorgen hatte und sie nicht wusste, was sie tun sollte. Sie suchte möglicherweise Rat und Gottes Führung. Die andere Sache, die mir aufgefallen ist – und dir inzwischen wahrscheinlich ebenfalls –, wer auch immer sich an Hester herangeschlichen hat, um sie anzugreifen, muss entweder verflixt leise gewesen sein, sodass Hester ihn nicht rechtzeitig bemerkt hat, um aufzublicken und zu flüchten, oder es war jemand, den Hester kannte und von dem sie glaubte, seine Gegenwart bedeutete keine Gefahr für sie.« Alan nickte.
»Der Gedanke ist mir in der Tat bereits gekommen, und wenn es aus keinem anderen Grund ist als der Tatsache, dass Mörder und Opfer fast immer miteinander bekannt sind. Warum sollte man jemanden töten, der einem nichts bedeutet? Es gäbe überhaupt kein Motiv. Es sei denn, der Mörder ist betrunken, steht unter dem Einfluss von Drogen oder handelt im Affekt – in diesen Fällen könnte jedermann angegriffen werden, ohne dass ein Motiv existiert. Derartige Fälle sind höchst selten. Die Gefahr geht meist von denen aus, die uns nahe stehen und die wir lieben, nicht von Fremden. Und niemand …«, Markby grinste trocken,
»… niemand hat bisher Andeutungen gemacht, dass sich in letzter Zeit Fremde in Lower Stovey herumgetrieben hätten – mit Ausnahme von dir und mir natürlich.«
»Lionel hat mich gefragt, ob ich einen Leumund benötige«, erzählte Meredith ihm.
»Vielleicht bitte ich ihn lieber, sich für mich zu verbürgen.« Markby grinste.
»Oh. Ich verbürge mich für dich, keine Sorge!« Die Kellnerin erschien, um ihre Teller abzuräumen. Sie war sehr jung, mit einer frischen Gesichtsfarbe, und sie war hübsch trotz der Zahnspangen. Wahrscheinlich eine College-Studentin, die sich abends Geld verdiente. Sie blickte besorgt auf die übrig gebliebenen Reste von Markbys und Merediths Essen.
»Hat es Ihnen nicht geschmeckt?«, fragte sie vorsichtig. Beide versicherten ihr unisono, dass das Essen ausgezeichnet gewesen wäre. Sie schien nicht wirklich überzeugt, doch sie fragte freundlich:
»Möchten Sie vielleicht einen Nachtisch vom Dessertwagen?« Sie wechselten Blicke, und Meredith schüttelte den Kopf.
»Nein, danke sehr«, sagte Alan zur Kellnerin.
»Wir nehmen nur Kaffee.« Als das Mädchen gegangen war, sagte Meredith:
»Ich weiß, du möchtest, dass ich mich genau an jede Einzelheit erinnere. Ich habe wirklich versucht, mich an alles zu erinnern, was ich gesehen habe. Merkwürdig ist nur, dass ich genauso sehr an Ruth denken muss wie an Hester Millar. Ich dachte, ich fahre vielleicht morgen irgendwann raus nach Lower Stovey und besuche sie. Bestimmt kann sie Unterstützung gebrauchen. Ich nehme nicht an, dass sie in diesem Dorf viele Freunde hat. Es sei denn, man zählt Muriel Scott dazu, die, wie ich mir denken kann, in einer Zeit wie dieser ein zweischneidiger Segen ist. Sie meint es gut, weißt du, aber sie ist unbeholfen.«
»Und ich auf meine verschlagene Polizistenart hätte nichts dagegen, wenn du dich ein wenig mit ihr unterhalten würdest. Vielleicht vertraut sie sich dir an und redet mit dir.« Der Kaffee kam, und sie unterbrachen ihre Unterhaltung. Als Meredith schließlich wieder anfing zu reden, fragte sie in Anlehnung an seine letzte Bemerkung:
»Vielleicht redet sie mit mir? Was soll sie mir deiner Meinung nach anvertrauen?« Er zuckte die Schultern, während er seinen Kaffee umrührte.
»Ich weiß es nicht. Nichts. Irgendwas. Irgendeine Kleinigkeit.«
»Ich möchte sie aber nicht grillen. Sie hat sicher schon genug davon gehabt.«
»Ich denke mir, dass Dave Pearce Ginny Holding heute nach Lower Stovey geschickt hat, um Ruths Aussage aufzunehmen. Ginny Holding ist ganz gut mit angeschlagenen Zeuginnen. Sie grillt die Leute nicht. Jede Menge Mitgefühl und so weiter.« Er zögerte.
»Ich sage Dave, dass du Ruth besuchen willst. Es ist sein Fall, weißt du?«
»Sicher.« Mit der ihr eigenen Zuversicht fügte Meredith hinzu:
»Ich habe nicht vor, für die Polizei irgendwelche
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