Der Fluch Der Bösen Tat
ich im Augenblick auch nicht über die Beerdigung nachdenken kann, geschweige denn über Dilys’ Schinkensandwichs.« Mit grimmigem Humor fügte sie hinzu:
»Jede Wette, dass es richtige alte Fußabtreter sein werden. Mit grauenvollen selbst gemachten Mixedpickles, ganz bestimmt, so zäh, dass sie einem die Füllungen aus den Zähnen ziehen! Na ja, ich hab sie jedenfalls sofort nach Hause geschickt, nachdem sie das Feuer angemacht hat. Wie Sie sagen, sie will nur behilflich sein, mehr nicht. Ich sollte ihr wahrscheinlich danken für ihre Unterstützung. Ich hätte nie geglaubt, dass der Tag kommen würde, an dem ich mich in der Stunde meiner Not an sie wende!« Ruth rieb die blassen Hände aneinander.
»Irgendwie fühle ich mich immer noch kalt.«
»Es ist der Schock«, sagte Meredith.
»Sie sollten viel Heißes trinken.«
»Ich mache uns gleich einen Tee«, sagte Ruth, zu Merediths Verlegenheit in einem Ton, als hätte Meredith eine versteckte Andeutung gemacht.
»Nehmen Sie doch so lange Platz.«
»Ich bin eigentlich nur vorbeigekommen, um zu sehen, wie es Ihnen geht«, sagte Meredith.
»Ich fahre auch gleich wieder, wenn Sie nicht mögen, dass ich da bin.«
»Aber nein, ich möchte, dass Sie bleiben! Ich brauche jemanden, mit dem ich reden kann. Hier im Dorf gibt es niemanden, mit Ausnahme von Muriel, und die Arme klammert so verzweifelt. Sie gehört zu jener Sorte Mensch, die einem sagt, dass man die Socken hochziehen soll. Sie hat es zwar noch nicht zu mir gesagt, aber ich habe das Gefühl, als wäre es jeden Augenblick so weit.« Ruth ließ sich in eine Ecke ihres chintzbezogenen Sofas fallen.
»Abgesehen davon würde ich Roger heute nicht ertragen.«
»Ich habe Roger bis jetzt noch nicht kennen gelernt.«
»Dieser grässliche Hund!«, sagte Ruth ohne Bosheit.
»Er ist eine Plage! Muriel liebt ihn. Ich mag Hunde normalerweise auch, aber nur, wenn sie sich benehmen und gut erzogen sind. Meine persönliche Meinung über Roger lautet, dass er völlig übergeschnappt ist. Ein übergeschnappter Hund!« Sie seufzte.
»Vielleicht schaffe ich mir ja jetzt selbst einen Hund an, der Gesellschaft wegen. Meine Eltern hatten auch immer einen. Einen Labrador.«
»Sie sollten keine voreiligen Entscheidungen treffen«, empfahl ihr Meredith.
»Lassen Sie sich Zeit.«
»Zeit ist alles, was ich jetzt noch habe, nicht wahr? Zeit im Überfluss, wie es so schön heißt. Ich schätze, ich fange an, Teppiche zu knüpfen oder so was. Nicht, dass ich geschickt wäre in solchen Dingen. Vermutlich muss ich auch noch eine Weile als Kirchenvorsteherin arbeiten, weil sich sonst niemand für diese Aufgabe findet. Aber im Augenblick kann ich nicht in die Nähe dieser Kirche gehen. Ich habe es auch James Holland gesagt. Er meint, ich solle mir deswegen keine Gedanken machen.« Ruth winkte abschätzig.
»Wenn ich richtig informiert bin, war die Polizei gestern wegen Ihrer Aussage bei Ihnen?«
»O ja, eine nette junge Frau kam gestern Morgen vorbei. Ich konnte keine ihrer Fragen beantworten. Hester und ich haben – hatten – keinerlei Feinde. Wir waren nicht in irgendwelche Streitigkeiten verwickelt. Meines Wissens hat sich niemand in der Kirche herumgetrieben, und es gibt nichts in unserem Gotteshaus, das wert wäre, gestohlen zu werden. Die Polizistin hat immer wieder diesbezügliche Fragen gestellt. Es scheint, als wären einsame Kirchen ein bevorzugtes Ziel irgendwelcher skrupellosen Leute, die Statuen herausbrechen und Bilder und dekorierte Paneele mitnehmen. Sie verkaufen die Sachen über irgendwelche dunklen Kanäle im Antiquitätenmarkt mit gefälschten Herkunftsdokumenten. Die Beamtin wollte wissen, ob ich es für möglich halte, dass Hester einen Dieb gestört hat. Aber ich habe ihr gesagt, dass sämtliche Messingsachen, die Altarbestecke, die Kerzenständer, das Chorpult mit der Bibel darauf und so weiter nach dem Tod meines Vaters entfernt und in die Diözese gebracht wurden, wo sie vor Dieben sicher sind. Wenn James Holland aus Bamford herkommt, um die Messe zu lesen, bringt er ein Altarkreuz und Kerzenständer mit. Die restlichen Sachen, Monumente und alles Weitere, sind aus massivem Marmor und Stein und an den Wänden oder am Boden verankert. Außerdem hat Hester auf einer Bank gekniet. Das hätte sie bestimmt nicht, wenn sie jemanden aufgeschreckt hätte. Sie hätte nicht einmal dann auf der Bank gekniet, wenn ein Fremder die Kirche betreten hätte und herumgewandert wäre, um die Bildhauereien zu betrachten.
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