Der Fluch der bösen Tat
ich glaube nicht, daß mein Hotelzimmer sehr einladend ist …«
»Wir gehen zu mir.«
»Und was sagt deine Frau dazu?«
»Lise? Die ist eh nie zu Hause.«
»Es ist natürlich deine Sache, ob du darüber reden willst.«
Ole goß den Rest der Flasche in sein Glas. »Zum Kaffee müssen wir noch was trinken. Dazu kannst du nicht nein sagen.«
Er gab der Bedienung ein Zeichen und bestellte zwei Kaffee und zwei Kognak.
»Ich glaube nicht, daß die Chance groß ist, unsere Beziehung zu retten«, sagte er, als die Bedienung die Bestellung aufgenommen hatte. Sie war jung wie die meisten Kellner in Kopenhagens Restaurants und hatte deshalb einen niedrigen Lohn. Es war typisch, daß sie nicht gefragt hatte, welchen Kognak sie wünschten. Wahrscheinlich trank sie nichts anderes als Cola, aber Ole war es eigentlich egal, welchen Kognak sie bekämen, und er fuhr fort: »Aber wir wollen es wenigstens versuchen. Wir sind ja so etwas wie erwachsene Menschen, nicht wahr?«
Vuk nickte. Das hatte Ole mehr oder weniger schon einmal gesagt, er fing an sich zu wiederholen. Das war gut, Vuk ließ ihn weiterreden.
»In einer Woche haben wir mehr Zeit füreinander. Dann müssen wir reden. Vielleicht wird es bis dahin auch einfacher. Jetzt habe ich die Sache mit dir durchgesprochen, Carsten. Du bist ein guter Zuhörer. Jetzt habe ich das Problem zumindest schon mal formuliert.«
»Danke. Aber wieso habt ihr in einer Woche mehr Zeit?«
Ole Carlsen sah ihn an. Einen Augenblick lang war Vuk nervös, ob er vielleicht zu direkt gewesen war. Die Bedienung kam und brachte Kaffee und zwei Kognak. Vuk goß ihnen Kaffee ein und vermied es, Ole in die Augen zu sehen. Da fuhr Ole fort: »Warum wir dann mehr Zeit haben? Ich sollte das wahrscheinlich nicht sagen, aber es ist auch ein bißchen übertrieben mit der ganzen Geheimniskrämerei. Sagt dir der Name Sara Santanda etwas?«
Vuk schüttelte den Kopf.
»Nein, natürlich nicht«, sagte Ole. »Du bist ja in einer anderen Branche. Sie ist eine Schriftstellerin, die die Iraner umbringen wollen, sie kommt in einer Woche nach Dänemark, und Lise ist für den Besuch verantwortlich. Wegen der Sicherheit arbeitet sie mit dem PND zusammen und bumst im Augenblick wahrscheinlich mit irgendeinem bescheuerten Bullen.«
Ole ergriff das Kognakglas und trank es aus. Am Ende des Satzes drohte seine Stimme sich zu überschlagen.
»Das muß doch nicht so sein«, sagte Vuk.
Ole wurde ruhiger.
»Ich fürchte, es ist so, wie es ist.«
»Das tut mir leid.«
»Danke, Carsten. Du bist nett, aber wenn er es nicht ist, ist es irgendein anderer. Jedenfalls ist sie nicht zu Hause, und ich habe wirklich keine Lust, allein zu sein oder wieder in die Kneipe zu gehen, also wenn du willst …«
»Sehr gern«, sagte Vuk und lächelte, aber Ole merkte nicht, daß es ein triumphierendes Lächeln war.
Sie nahmen eine Taxe. Ole hatte einige Gleichgewichtsprobleme, als er die Tür aufschloß. Während er auf der Toilette verschwand, sah sich Vuk die Wohnung an. Die Wohnküche war ordentlich und hübsch. Das Wohnzimmer war mit modernen, hellen Möbeln ausgestattet. Die eine Wand war mit Büchern bedeckt, und in einer Ecke standen ein Couchtisch mit einem hellen Ledersofa und zwei Ledersesseln, die edel abgenutzt aussahen. Man konnte in ihnen gemütlich Kaffee trinken oder sie ein wenig drehen und fernsehen. Auf einer antik aussehenden Anrichte standen Fotos von Ole und Lise. Sie wirkten glücklich, sie umarmten sich. Und Fotos von Reisen. Ein Flur führte zu Bad und WC, wo Vuk das Wasser rauschen hörte, und zu drei weiteren Zimmern: dem Schlafzimmer mit dem Doppelbett, einem Raum mit Computer und Büchern über Psychologie und noch einem Raum mit einem weiteren Computer. Vuk machte überall rasch das Licht an und schaute hinein, während er auf das Wasser aus dem Badezimmer lauschte. Das größte Zimmer gehörte augenscheinlich Lise. Überall lagen Zeitungen, Zeitschriften, Bücher und Disketten herum. Auf einem modernen Schreibtisch stand ein Telefon mit Anrufbeantworter. Außer einem Stapel Papier war die Tischplatte frei und aufgeräumt. An der Wand hing ein Plakat von der Expo in Sevilla und das schöne Bild einer Flamencotänzerin. Vuk ging ins Wohnzimmer zurück und blickte auf die Straße hinunter. Sie war leer, nur ein älterer Mann führte seinen Hund spazieren. Das Licht des Kneipenschildes gegenüber spiegelte sich sanft in einer Wasserpfütze.
Ole kam herein und bat ihn sich zu setzen. Er holte eine Flasche
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