Der Fluch der Druidin
die Könige der Teutonen mit sich führen«, erzählte Nando, erneut auf ihr eigentliches Thema zurückkommend. »In Ketten. Es heißt, die Sequaner hätten König Teutobod auf der Flucht gefangen genommen und den Römern ausgeliefert. Nach fast zwanzig Jahren in der keltischen Welt ist uns kein einziger unserer Verbündeten geblieben. Die Tiguriner mögen uns noch in den Bergen den Rücken frei halten, ein paar sogar mit uns kämpfen, doch wie lange noch? Wann werden sie uns ebenfalls verraten?«
»Teutobod war ein Narr! Und was die Tiguriner anbelangt: Schau dir an, was für Schlangen ihre Druiden sind! Nein, ihnen vertraue ich schon lange nicht mehr!«
Sie hatten im Laufen gesprochen, auf dem Weg zu Boiorix’ Hauptquartier, wo sie eine Abordnung der Waffenschmiede erwartete. Bei seinem letzten Ausbruch war Boiorix jedoch stehen geblieben und zwang dadurch Nando und ihre Begleiter, ebenfalls anzuhalten. Es schien dem König egal, wer seine Verwünschungen mithörte. Während Boiorix noch einmal knurrend kundtat, was er mit dem rothaarigen Mädchen, das ihn verflucht hatte, hätte tun sollen, ging Nandos Blick an seinem König vorbei in Richtung des freien Platzes hinter ihm. Eine Gruppe Jungen stand dort und beobachtete mit leuchtenden Augen einige Krieger, die ihre Schildbuckel und Waffen auf Hochglanz polierten. Einer der Jungen war von dunklerer Hauttönung mit dunkelbraunen gelockten Haaren und schwarzen Augen, ein Kind, dessen Mutter oder Vater sicherlich einem der fremden Völker angehörte, denen die Kimbern auf ihrem langen Zug irgendwann einmal begegnet waren.
Wir sind allein,
stellte Nando unvermittelt fest.
Abgeschnitten von unserer Heimat, der Erde, die unsere Geister birgt und unsere Ahnen. Abgeschnitten von unseren Göttern. Unserer Verbündeten beraubt.
Man konnte Größe in dieser Situation sehen. Das Volk der Kimbern hatte stets Größe besessen, Mut und Kampfkraft. Und am Ende hatte es immer gesiegt. Wieso hatte Nando auf einmal das Gefühl, eine falsche Wahl getroffen zu haben?
Nein, widersprach er sich selbst, das war es nicht. Diese Zweifel entsprangen nicht der Lage, in der sie sich befanden, dem bevorstehenden Krieg mit den römischen Legionen oder der Nachricht von der Gefangenschaft Teutobods. Ihr Ursprung war einzig und allein Sumelis.
»Gibt es noch etwas, was du mir berichten willst, mein Sohn?«
Boiorix kannte ihn gut.
»Nein, Herr. Mir wäre bloß lieber, das ewige Herumsitzen wäre endlich vorbei.« Das war nicht einmal gelogen. Nando war tatsächlich froh über die Ablenkung, die ihm die Kriegsvorbereitungen boten. Hätte er die Schlacht mit den Römern herbeizaubern können, nur um seine Gedanken zum Schweigen zu bringen, stünde er bereits in vorderster Front.
»Vorgestern konnte dich kein Bote finden«, bemerkte Boiorix beiläufig.
Nando machte eine verächtliche Handbewegung. »Ich hatte Sumelis ausreiten lassen, außerhalb des Lagers. Alleine. Ich dachte, wenn ich ihr eine Fluchtmöglichkeit biete und Sumelis sie nicht nutzt, wissen wir, sie hat nicht absichtlich versucht, Euch zu töten.«
»Eine interessante Überlegung. Ja, womöglich würde Sumelis so denken, wenn sie unschuldig ist. Sehr gut. Und? Hat sie versucht zu fliehen?«
»Nein.«
»Ah.«
Nando wartete, aber der König sagte nichts weiter. Daher blieb ihm selbst nichts anderes übrig, als schließlich zu fragen: »Was werdet Ihr mit Sumelis tun? Werdet Ihr sie einsperren?«
»O nein. Rascil hatte eine bessere Idee.«
»Was für eine Idee?«
»Sie hat sie betäubt. Mit irgendeinem Zaubertrank. Es soll Sumelis nicht schaden, allerdings wird sie nicht mehr viel von ihrer Umgebung mitbekommen. Sie wird dämmern, sagt Rascil. Träumen. Ha, wer weiß! Vielleicht zieht sie meine Alpträume auf sich!« Der Gedanke schien Boiorix zu amüsieren.
Nandos Rechte ballte sich wie so oft in den letzten Tagen zur Faust. Es kostete ihn Anstrengung, die Muskeln zu lösen und die Finger locker hängen zu lassen. Eigentlich sollte er nicht fragen, schließlich hatte er Sumelis zurückgebracht, und was gab es dem noch hinzuzufügen? Dennoch konnte er nicht anders, er musste wissen: »Wirkt der Trank?«
»Wieso fragst du mich das? Ich habe seit gestern nicht mehr mit Rascil oder dem Krüppel gesprochen. Ich habe andere Dinge zu tun.«
»Natürlich habt Ihr das, Herr.«
»Der Trank wird ihren Willen brechen. Sumelis wird tun, was man ihr sagt. Das hat Rascil mir versprochen. Trotzdem solltest du vielleicht morgen oder
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