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Der Fluch der Druidin

Der Fluch der Druidin

Titel: Der Fluch der Druidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Jaeckel
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Boiorix habe früher ebenfalls inmitten dieser Menschen zu schlafen gepflegt, allenfalls separiert durch Vorhänge aus dünnem Stoff. Seit ihn jedoch die Alpträume verfolgten, sonderte er sich von jenen, die ihn nicht schwach sehen durften, ab und erlaubte nur einer Handvoll Menschen, sein Schlafgemach ohne Aufforderung zu betreten. Ein einziges Mal nur hatte einer seiner Günstlinge gegen dieses Verbot verstoßen: Der Jüngling war seither nie mehr gesehen worden.
    Der Raum mit seiner kniehohen Lagerstatt war reich mit kostbaren Pelzen von Bär, Luchs, Wolf und Biber ausgestattet. Der fast unerträglich warmen Sommernacht zum Trotz standen in einer Ecke Eimer mit glühenden Kohlen und heißen Steinen, auf denen Kräuterbüschel lagen. Sumelis erkannte die verdorrten Blüten von Baldrian und Thymian. Ein Silberkrug enthielt Wasser, in einem buntgebänderten Glasbecher schimmerte dagegen ein Rest dunkelroter Flüssigkeit. Eine abgenagte Schweineschulter lag auf dem Holzboden, halb vergraben unter Boiorix’ achtlos hingeworfener Hose. Ein Wandbrett trug eine Ansammlung verzierter Lampen aus feinem rötlichem Ton, daneben saß eine dunkelhaarige Frau, nackt bis auf ein Stück länglichen Tuchs, das sie sich um den Oberkörper geschlungen hatte. Ölreste glänzten auf ihren Fingern, und sie hielt ein kleines gekrümmtes Metallobjekt – ein römisches Schabeisen, Strigilis genannt – in den Fingern, mit dem sie vor kurzem noch Boiorix’ Haut sauber geschabt hatte. Die Frau huschte, sowie sich die Tür öffnete und Rascil, Sumelis und der Krüppel im Eingang erschienen, mit gesenktem Blick hinaus.
    Der Kimbernkönig lag auf dem Bauch, die Arme nach oben angewinkelt, die Fäuste in ein von Biberfell überzogenes Kissen gekrallt. Bekleidet war er lediglich mit einem langen nassgeschwitzten Hemd, das wie eine zweite Haut an seinem Rücken klebte. Er hatte die Decken von sich gestrampelt; seine nackten behaarten Beine zuckten im Traum, als würde er rennen. Sumelis konnte seine Furcht in dem beißenden Schweißgeruch schmecken, der die abgestandene Luft im Zimmer schwängerte.
    »Und so ist es jede Nacht?«
    »Nicht jede, aber viele«, antwortete der Krüppel. »Manchmal ist es so unerträglich, dass Boiorix im Schlaf schreit. Dann wissen wir, es sind wahre Träume, und die Andere Welt hat seine Seele aus seinem schlafenden Körper gerissen, um sie in ihrem nebligen Reich zu quälen. Manchmal, nachdem es besonders schlimm war, hat er die nächsten Nächte Ruhe, bevor es wiederkommt – schleichend oder mit Donnerhall.«
    »Träumt er auch, wenn er betrunken ist?« Sumelis gestikulierte vielsagend in Richtung des fast leeren Glasbechers.
    »Ja, das tut er. Ob betrunken oder betäubt macht kaum einen Unterschied. Ein römischer Arzt hat es gar mit dem Saft des Mohns versucht, mit verheerenden Folgen: Kaum war die unmittelbare Wirkung abgeklungen, wurde Boiorix von Visionen heimgesucht, verschwommenen Bildern ähnlich bronzenen Spiegeln, in denen die Schrecken der Traumwelt tanzen. Im einen Moment war er schwermütig, im nächsten verwirrt oder rasend, dazu quälten ihn schreckliche Kopfschmerzen. Dasselbe am nächsten Tag. Er konnte sich auf nichts konzentrieren, erbrach sich und schlug letztlich den Arzt halbtot.« Der Krüppel verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Sarkasmus stahl sich in seine Erzählung und zerstörte die Illusion, dass es lediglich eine spannende Geschichte war, die er wiedergab. »Das war natürlich das letzte Mal, dass ein römischer Arzt zu uns kam. Boiorix vermutete sogar, er wäre geschickt worden, um ihn auf diese Art zu töten. Die folgenden drei Nächte waren die schlimmsten von allen.«
    »Die Träume werden also am heftigsten, wenn Boiorix versucht, ihnen zu entgehen?«
    »Manchmal scheint es so. Trotzdem folgen diese Träume keinen Regeln, wenn überhaupt richten sie sich nach den Phasen des Mondes. Sobald die Mondgöttin ihr Antlitz verbirgt, wird es immer schlimmer.«
    Sumelis und der Krüppel hatten leise auf Helvetisch miteinander gesprochen, was bei Rascil misstrauisches Stirnrunzeln hervorrief. »Sprecht lauter!«, forderte sie. »In dem Zustand weckt ihn so schnell nichts!«
    Sumelis knetete nachdenklich ein Ohrläppchen, ohne dass das folgende Glühen ihre tiefe Erschöpfung vertrieben hätte. Wie gerne hätte sie sich einfach nur hingelegt, die Decke über den Kopf gezogen und vergessen, wo sie war.
    »Der Fluch hält Boiorix im Schlaf gefangen?«, vergewisserte sie sich. »In der

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