Der Fluch der Druidin
für Sumelis abgewehrt wähnte, verbeugte er sich vor seinem König, dann verschwand er in der Nacht. Er kam nicht einmal auf die Idee, einen Dienstboten nach Sumelis zu schicken, anstatt selbst zu gehen.
Er fand Sumelis vor ihrem Zelt sitzend, in eine leise Unterhaltung mit dem Krüppel vertieft. Einen Moment lang blieb er stehen, um sie aus dem Verborgenen heraus zu beobachten: die junge Frau im Schneidersitz, eine karge Platte mit Fladen, Möhren, Butter und Käse auf den Beinen und mit aufmerksam zur Seite geneigtem Kopf, daneben der zwergenhafte Mann mit seinem verkrüppelten Arm und dem grotesk großen Schädel. Nando hörte ihn über einen Scherz Sumelis’ lachen – sie sprachen über ihre Kindheit in einem helvetischen Tal –, und er verweilte noch einen Moment länger im Verborgenen, um der Geschichte, wie sie das erste Mal eine befestigte Stadt betreten hatte, zu lauschen. Als er schließlich hinter dem Zelt hervor- und in ihr Blickfeld trat, blitzte augenblicklich Sumelis’ strahlendstes Lächeln auf.
»Nando! Ich dachte schon, ich hätte dich bemerkt!«
Nando nickte dem Krüppel zu, der den Gruß genauso kühl erwiderte. Umständlich erhob sich der kleine Mann, Sumelis’ Protest mit einer Handbewegung beiseitewischend. »Ich hätte schon längst gehen sollen, Herrin. Ich danke Euch, dass Ihr die Erinnerungen an meine Heimat mit mir geteilt habt.«
»Es war mir eine Freude.«
»Nein, mein war die Freude, mein Volk einmal mit Augen zu betrachten, die nicht von Bitterkeit verzerrt sind.«
»Es sind Eure Augen. Ihr entscheidet darüber, wie sie sehen.«
»Unglücklicherweise sind meine Augen mit meinen Beinen und Armen verbunden.« Der Krüppel hob eine Hand, bevor sie ihm abermals widersprechen konnte. »Ich werde Euch übermorgen wieder besuchen, wenn ich darf.« Er legte kurz die Spitze seiner Finger an die Stirn – irgendein helvetischer Ehrengruß, wie Nando sich vage erinnerte –, dann verschwand er.
Sumelis wandte sich wieder Nando zu. Ihr warmes Lächeln lud ihn ein, sich neben sie zu setzen und ihr Mahl zu teilen.
»Boiorix schickt mich«, lehnte Nando kopfschüttelnd ab. »Er möchte, dass du zu ihm kommst.«
»Schon wieder? Es ist noch keine drei Nächte her seit dem letzten Mal. Ich hatte gedacht, es würde länger halten.«
»Es ist ihm wichtig.«
Sumelis’ Schultern sanken ein Stück herab. Sie seufzte, dann machte sie Anstalten, die Platte mit ihrem Abendessen zur Seite zu legen.
»Iss ruhig fertig! Ich denke nicht, dass wir uns beeilen müssen.«
»Bist du sicher?«
»Ja.«
Sumelis riss ein Stück Brot ab. Nando bemerkte, dass sie langsam kaute und sich zwingen musste, es hinunterzuschlucken. Ein Anzeichen, dass es ihr noch immer nicht gutging.
»Der König wird doch unmöglich schon schlafen?«
»Nein, er will … Er will vorbeugen.« Nando gab seiner Stimme einen bestimmten Klang. Er hatte sich nicht gesetzt, sondern sah von oben auf sie herab, auf ihr dunkles Haar, in dem zwei Blüten steckten. »Er will, dass du bei ihm bist, wenn er einschläft. Ab jetzt jede Nacht. Neben ihm. Auf seinem Lager.«
Sumelis starrte ihn an, im Kauen erstarrt. Sie schluckte krampfhaft, dann stellte sie mit einer sorgfältigen Bewegung die Platte beiseite und stand auf. »Wenn das so ist, sollten wir ihn nicht warten lassen«, brachte sie heraus.
»Ich habe versucht, es ihm auszureden.«
»Ich glaube dir.«
Nandos Hand schnellte vor und fasste ihren Unterarm. Es war die erste bewusste Berührung, seit sie den Kimbernzug erreicht hatten, und einen Herzschlag lang starrten sie beide, ohne sich zu rühren, auf seine Finger auf ihrer Haut.
»Hör zu, Sumelis!«, drängte Nando. »Ich weiß, was du mit dem Helvetier gemacht hast, als wir vom Pass herunterkamen. Wie du ihm seine Männlichkeit genommen hast. Mach so etwas nicht mit Boiorix, sonst wirst du sterben! Ich, ich glaube nicht, dass er sich dir aufzwingen wird. Ich habe ihm gesagt … Egal! Tu einfach nichts, was ihn provozieren könnte!«
Mit Entsetzen stellte Nando fest, dass er nahe daran war, zum Verräter zu werden. Er konnte Sumelis nicht von Boiorix’ Überlegungen, sie zu brechen, sie sich untertan und sich ihre Gabe zu Willen zu machen, erzählen, ohne seinen König zu hintergehen. Im selben Augenblick spürte er eine Berührung auf seinen Fingern, die ihren Arm hielten. Federleicht nur, dann zog sie ihre Hand schon wieder zurück.
»Mach dir keine Sorgen, Nando! Ich bin nicht dumm. Ich denke, ich weiß, was
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