Der Fluch der Druidin
du gerade erlebt hast: meine Stärke, meinen Glauben an mich, meine Manneskraft. Meine Herrlichkeit. Dann werden wir sehen, ob ich dieses verfluchte Netz nicht zu zerreißen vermag!«
Es wäre ein Moment gewesen, in dem Nando den Mut seines Königs hätte bewundern können, die furchtlose Entschlossenheit, sich dem Fluch zu stellen und ihn zu bekämpfen. Jetzt hoffte er nur, dass Sumelis ein Grund einfiel, um diese Kammer zu verlassen, eine Ausrede, weshalb Boiorix’ Plan zum Scheitern verurteilt war und es keinen Sinn ergab, diesen Wahnwitz fortzusetzen.
Sumelis allerdings widersprach nicht. Sie senkte lediglich den Kopf, kurz darauf nickte sie zögernd.
»Es sei, wie Ihr es wünscht.« Die Worte waren kaum zu verstehen. Sumelis räusperte sich und versuchte es erneut: »Ich werde tun, was ich kann, um Euch die Rüstung für Euren Kampf zu geben, König der Kimbern.«
»Du hast gesehen, welche Kraft in mir liegt? Wie meine Seele in Wahrheit beschaffen ist? Wie sie zu brennen vermag?«
»Ja, Herr. Ich habe Eure Seele brennen sehen.«
Rascil trat vor, einen dampfenden Becher in der Hand. »Trinkt das, mein König! Dieser Trank wird es Euch leichter machen einzuschlafen.« Einen Moment lang schien es, als wolle sie noch etwas zu Sumelis sagen, aber eine Handbewegung, die Nando nicht ganz erkennen konnte, war die einzige Drohung, die sie benötigte. Sumelis’ Finger ballten sich zu Fäusten. Doch sie knickte nicht ein, und auf einmal spürte Nando etwas, was er noch nie für eine Frau empfunden hatte: Stolz.
Sumelis würde es schaffen. Sie und Boiorix. Beide – zusammen.
Was auch immer in dem Becher gewesen war, den Rascil Boiorix zu trinken gegeben hatte, schien zu wirken. Der König glitt rasch in tiefen Schlaf, trotz der Geräusche, die durch die dünnen Wände in die Kammer drangen, der drei Menschen, die jede Bewegung aus scharfen Augen verfolgten, und ungeachtet des Kampfes, den zu suchen er trachtete in einer Welt, deren Regeln er nicht bestimmen konnte. Bald schon erfüllte sein tiefes Atmen den Raum.
Sumelis löste sich aus ihrer Erstarrung, trat an die Lagerstatt und kniete sich vor sie. Während ihre Stirn auf das Bärenfell sank, griff ihre Rechte nach Boiorix’ Handgelenk, die Fingerspitzen locker auf der von blauen Adern durchzogenen Unterseite. Es war eine Pose voller Demut und stiller Akzeptanz, die Rascil ein untypisches Kichern entlockte, Nando dagegen nur noch mehr Schweiß auf die Handflächen trieb. All seine Instinkte schrien ihm zu, dass Gefahr drohte und dass Sumelis es wusste. Dass sie damit rechnete zu fallen, bewusstlos zu werden und …
Und was?
Nein, Nando hatte keine Ahnung, was passieren konnte. Er war völlig hilflos. Wie sehr wünschte er sich sein Schwert und einen Gegner, den er wahrnehmen konnte. Den er selbst bekämpfen konnte! Er sollte es sein, der sein Leben für seinen König aufs Spiel setzte – nicht Sumelis! Das Schlimmste dabei war, dass er nicht einmal wissen würde, was überhaupt geschah.
»Ich warte draußen. Ich bin in Hörweite, falls etwas passiert.«
Rascil zuckte nur mit den Achseln.
Draußen vor der Kammer begann Nando, wie ein gefangener Wolf auf und ab zu rennen. Ein paar Schritte in die eine Richtung, so nahe an der Wand, dass seine Schultern an ihr entlangschabten, zurück, umdrehen, wieder ein paar Schritte. Er achtete weder auf die Feiernden noch auf die Sklaven, die an ihm vorbeieilten, stirnrunzelnd sein seltsames Verhalten zur Kenntnis nahmen. Er schickte die Wache vor Boiorix’ Kammer weg, dann einen Diener nach einem Becher Wein, den er unangerührt stehenließ. Von Zeit zu Zeit drang leises Stöhnen aus der Kammer, ein Zeichen, dass die Alpträume Boiorix wieder gefangen hielten, doch es klang nicht anders als sonst. Nando stellte sich vor, wie Sumelis der Seele seines Königs zuflüsterte, stark zu sein, wie sie ein Bild für ihn erschuf von der Kraft eines Mannes, eines Kriegers – das war nicht Sumelis’ Welt, protestierte eine Stimme in seinem Inneren, was wusste sie denn schon davon? – und als Schatten mit ihm in den Kampf gegen fluchgeborene Dämonen zog.
Nando fuhr sich heftig durch die Haare, als könne das die Bilder vertreiben, ehe er sein ruheloses Auf- und Abwandern wieder aufnahm. Das Stöhnen war verstummt. Vielleicht war das ein gutes Zeichen. Vor der Halle begann ein Hund zu heulen.
Dann hörte er Sumelis’ Schrei.
»Was ist geschehen?« Nando stand neben Boiorix im selben Moment, wie Rascil Sumelis
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