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Der Fluch der falschen Frage

Der Fluch der falschen Frage

Titel: Der Fluch der falschen Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lemony Snicket
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kassiert. Die Säulen trugen einen Rundbogen, auf dem in verblassten Lettern Schwarz-aus-dem-Meer stand, und in die Mauer waren die Wörter Rat und haus gemeißelt, aber sie waren schwer zu lesen, da jemand zwei behelfsmäßige Schilder darüber angebracht hatte. Über Rat hing ein Schild mit der Aufschrift Polizeiwache, und über haus hing ein Schild mit der Aufschrift Bibliothek. Ich stieg die Stufen hinauf und traf die auf der Hand liegende Wahl.
    Die Bibliothek bestand aus einem einzigen großen Saal mit langen, hohen Metallregalen, und es herrschte diese vollkommene Stille, mit der eine Bibliothek alle Antwortsuchenden empfängt. Zu jedem Rätsel gibt es eine Geschichte. Eine solche Geschichte beginnt für gewöhnlich mit einer Spur, aber das Dumme ist, dass man nicht immer weiß, welcher Fährte man folgen soll. Mir schien die tauglichste Spur die Bordunbestie unter ihrem Laken in einem vergessenen Turmzimmer zu sein, und ich überlegte, wie ich mehr erfahren konnte. Ich durchquerte den Raum auf der Suche nach dem Bibliothekar, den ich hinter seinem Schreibtisch antraf, wo er mit einem karierten Taschentuch nach ein paar Motten schlug. Die Motten umflatterten ein kleines Schild mit dem Aufdruck: Dashiell Qwertz, Unter-Bibliothekar. Er war jünger, als ich mir Bibliothekare im Allgemeinen vorstelle, zu jung, um der Vater von irgendwem zu sein, den ich kannte, und seine Frisur sah aus, als hätte er die Scherenattacke eines Geisteskranken überlebt. Die Ärmel seiner schwarzen Lederjacke waren mit allen möglichen Metallgegenständen behängt, die jedesmal leise klirrten, wenn er nach den Motten schlug.
    » Entschuldigung«, sagte ich, » sind Sie der Bibliothekar?«
    Qwertz wedelte ein letztes Mal mit seinem Taschentuch und gab dann auf. » Unter-Bibliothekar«, sagte er mit so tiefer Stimme, dass ich einen Augenblick lang glaubte, wir beide säßen in einem Brunnenschacht. » Schwarz-aus-dem-Meer kann sich keinen festen Bibliothekar leisten, also bin ich hier.«
    » Und wie lange sind Sie hier schon?«
    » Seit ich den anderen abgelöst habe«, erwiderte er. » Kann ich dir helfen?«
    » Ich wüsste gern mehr über die lokalen Legenden«, sagte ich.
    » Die berühmteste Schauspielerin von Schwarz-aus-dem-Meer ist Dame Sally Murphy«, sagte Qwertz. » Unter ›Theater & Film‹ müsste ein Buch über ihre Laufbahn stehen.«
    » Nicht diese Art von Legende«, sagte ich. » Ich meinte eher alte Geschichten über seltsame Fabelwesen.«
    Qwertz kam um seinen Tisch herum. » Ich bringe dich in die Mythologie-Abteilung«, sagte er und führte mich auch schon zu einer Regalreihe in der Saalmitte. » Wir haben auch eine gute Zoologie- und Ozeanologie-Abteilung, falls dich echte Tiere interessieren.«
    » Nicht heute, vielen Dank.«
    » Man kann nie wissen. Es heißt ja, in jeder Bibliothek stünde das eine Buch, das Antwort auf die Frage gibt, die uns wie Feuer auf der Seele brennt.«
    » Vielleicht. Aber nicht heute.«
    » Auch gut. Kann ich sonst noch etwas für dich tun, oder möchtest du allein weiterschauen?«
    » Allein weiterschauen, bitte«, sagte ich, und Qwertz nickte und ließ mich stehen. Die Mythologie-Abteilung enthielt mehrere Bücher, die interessant aussahen, und eins, das aussah, als könnte es nützlich sein. Leider war es keins von den interessant aussehenden. Ich suchte mir einen Tisch in einer abgelegenen Ecke, wo ich ungestört lesen konnte, und schlug Schwarze Mythen auf.
    Kapitel7 zufolge war die Bordunbestie ein Mischwesen aus Pferd und Hai– oder aus Alligator und Bär, je nachdem welcher Legende man Glauben schenkte–, das in den Wassern vor Schwarz-aus-dem-Meer lauerte. Es verspeiste mit Vorliebe Menschen und gab die beängstigendsten Bordunlaute von sich– ich musste von meinem Tisch aufstehen und ein Wörterbuch suchen, um festzustellen, dass » Bordun« hier im Grunde nichts anderes als Brummen bedeutete–, wenn es Jagd auf seine Beute machte. Moxie war mir als unkonventionell erschienen, aber nicht als Lügnerin, und so stieß ich denn auch auf eine Geschichte, nach der die Bordunbestie vor Jahrhunderten von Lady Mallahan getötet worden war, wobei der Verfasser hinzusetzte, aller Wahrscheinlichkeit nach habe Lady Mallahan lediglich ein totes Walross am Fuß des Leuchtturmfelsens gefunden, und die Einheimischen hätten die Geschichte im Nachhinein aufgebauscht. Andere Quellen besagten, manche Menschen verstünden, die Bordunbestie einzufangen und zu zähmen, indem sie ihr

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