Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch der falschen Frage

Der Fluch der falschen Frage

Titel: Der Fluch der falschen Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lemony Snicket
Vom Netzwerk:
grauenvolles Brummen nachahmten, und es gab eine Sage über einen Zauberer, dem das Untier aus der Hand fraß, zumindest solange es satt wurde. In alten Zeiten wurde auf dem Marktplatz in mondlosen Nächten ein Gong geschlagen, um das Ungeheuer zu verscheuchen. Der Gong war längst dahin, aber die Legende hielt sich. Die Mütter erzählten ihren Kindern und Ehemännern auch heute noch, dass die Bordunbestie kommen und sie holen würde, wenn sie ihr Gemüse nicht aufaßen, und die Einheimischen verkleideten sich an Halloween und Purim auch heute noch als Bordunbestien mit Masken, die, soweit man den Illustrationen trauen konnte, nicht viel anders aussahen als die, die ich im Roadster appliziert hatte. Angeblich sichteten Seeleute die Bordunbestie nach wie vor, wie sie vor ihnen im Wasser schwamm, sich schlängelnd wie ein unterseeisches Fragezeichen, obwohl mir dieses Letzte nun, nach der Dränierung, nicht ganz dem aktuellen Stand zu entsprechen schien.
    Über eine Statue, wertvoll oder Plunder, berichtete das Buch nichts, und so stellte ich meine Recherchen über die Bordunbestie ein und vertiefte mich in das Kapitel über die schwarzen Hexen, in deren Adern statt Blut Tinte floss. Ich fragte mich, was sie dann wohl in ihren Füllern hatten.
    Ich las eine ganze Weile, bevor ich von einem Geräusch abgelenkt wurde. Es klang, als würde jemand einen Stein an die Wand gleich über meinem Kopf werfen. Ich blickte gerade rechtzeitig auf, um einen kleinen Gegenstand über den Tisch kullern zu sehen. Es war ein Stein, den jemand gegen die Wand gleich über meinem Kopf geworfen hatte. Es wäre schön, in so einem Fall eine flotte Bemerkung parat zu haben, aber mir fiel nur dasselbe ein wie sonst auch immer.
    » He!«, sagte ich.
    » He!«, äffte eine Stimme mich nach, und ein Junge etwa in meinem Alter streckte den Kopf hinter einem Regal hervor. Er sah aus wie eine Kreuzung aus einem Menschen und einem Holzklotz, mit langem dickem Hals und einem brutalen Topfschnitt. Er hatte eine Steinschleuder in der Tasche und einen aufreizenden Blick in den Augen.
    » Das war knapp!«, sagte ich.
    »’ tschuldige, soll nicht wieder vorkommen.« Er pflanzte sich vor mir auf. Es sollte furchterregend wirken, aber dazu reichte seine Körpergröße nicht aus. » Nächstes Mal treff ich richtig, versprochen.«
    » Ist das dein Freizeitspaß?«, fragte ich. » Auf Leute in der Bibliothek schießen?«
    » Eigentlich schieß ich lieber auf Vögel«, sagte er, » aber davon gibt’s hier nicht mehr viele.«
    » Tja, komisch, dass sie auf so jemand Netten wie dich nicht fliegen«, sagte ich.
    » Halt mal kurz still«, erwiderte der Junge und zückte wieder die Steinschleuder, » dann schieß ich dir dein Deppenlächeln aus der Fresse.«
    Plötzlich stand Qwertz vor uns. » Stew«, sagte er, ein Wort, das in einer so tiefen Tonlage gleich viel bedrohlicher klang. » Verlass sofort die Bibliothek.«
    » Ich darf hier drin sein«, sagte Stew und schnitt dem Bibliothekar eine Fratze. » Das ist ein öffentliches Gebäude.«
    » Und du bist ein öffentliches Ärgernis«, gab Qwertz zurück, fasste Stew am Arm und schubste ihn in Richtung Tür. » Raus.«
    » Bis bald«, rief Stew mir herausfordernd zu, zog aber ohne weitere Schmähungen ab, und Qwertz beugte sich vor, um die Wand zu inspizieren.
    » Tut mir leid«, sagte er, während er stirnrunzelnd eine kleine Delle betrachtete und mit dem Finger darüberrieb. » Stew Mitchum ist wie ein Abfallrest auf dem Grund einer Mülltonne. Jedes Mal versuche ich ihn rauszuwerfen, aber er klebt hartnäckig fest, und er wird immer älter und unappetitlicher. Hast du gefunden, wonach du gesucht hast?«
    » Mehr oder weniger«, sagte ich. » Kann ich eigen tli ch Bücher ausleihen, wenn ich nicht hier wo hn e?«
    » Bedauerlicherweise, nein«, sagte Qwertz. » Aber ich schließe immer schon sehr früh auf. Du kannst jederzeit kommen und nach Herzenslust lesen. Wir haben nicht oft Leute hier, die sich fürs Theater interessieren.«
    Ich verzichtete darauf, ihn daran zu erinnern, dass berühmte Schauspielerinnen nicht die Art von Legende waren, über die ich forschte. » Danke«, sagte ich. » Ich muss langsam gehen.«
    » Es gibt natürlich die Möglichkeit«, fuhr Qwertz fort, » vorausgesetzt, du hast einen Bibliotheksausweis, Bücher in einer Bibliothek in der Nähe deines Wohnorts zu bestellen.«
    » Sie meinen, meine Bibliothek in der Hauptstadt kann Bücher hierherschicken, die ich dann ausleihen

Weitere Kostenlose Bücher