Der Fluch der falschen Frage
darf?«
» Nein«, sagte Qwertz, » aber du kannst die Bestellung hier aufgeben, und dann wartet das Buch bei deiner Rückkehr auf dich.«
» Ich weiß nicht, wann ich da wieder hinkomme«, sagte ich. Die Hauptstadt und meine liebsten Menschen dort schienen mir in noch unerreichbarerer Ferne, als sie tatsächlich waren.
Qwertz langte in eine seiner Jackentaschen und brachte eine frische Karteikarte zum Vorschein. » Schau, du trägst einfach deinen Namen und den Buchtitel ein, dann kann der Mitarbeiter im Archiv das Buch heraussuchen, das du anforderst.«
Meine Gedanken überschlugen sich. » Das heißt, der Mitarbeiter im Archiv sieht den Titel, den ich anfordere?«
» Ja.«
» Oder sein Praktikant?«
» Anzunehmen«, sagte Qwertz. » Hast du es dir doch anders überlegt?«
» Ja«, sagte ich. » Ich würde gern ein Buch in der Fourier-Filiale anfordern.«
» Die Fourier-Filiale?«, wiederholte Qwertz und zog einen Bleistift hinter seinem Ohr hervor. » Ist das nicht dort, wo diese neue Statue hin soll?«
» Ich bin mir nicht sicher«, sagte ich, obwohl ich mir zu hundert Prozent sicher war.
» Und dein Name?«, fragte er.
Ich sagte ihm meinen Namen und fügte hinzu, dass er sich schrieb, wie man ihn sprach. Er notierte ihn in sauberen Druckbuchstaben und ließ dann den Stift wartend über dem Papier schweben.
» Und der Autor des Buches, das du suchst?«
Einen Moment lang herrschte in meinem Kopf völlige Leere. » Zefix…«, murmelte ich.
» Zefix heißt der Autor?«
» Äh… ja«, stammelte ich. » Ein Gallier, glaube ich.«
» Ein Gallier«, sagte er und sah mich an, schrieb es auf, sah mich wieder an. » Und der Buchtitel?«, fragte er dann, eine völlig vernünftige Frage. Ich hoffte, dass meine Antwort ähnlich vernünftig klang.
» Aber ich kann nicht zum Brunnen kommen.«
Qwertz musterte mich, sein Gesicht so leer wie eine dieser Zusatzseiten am Ende mancher Bücher, auf denen Platz für Bemerkungen oder Geheimnisse ist. » Die vollständige Angabe lautet also: ›Zefix, Aber ich kann nicht zum Brunnen kommen.‹ «
» Genau«, und Qwertz streifte mich noch einmal mit einem Blick, bevor er es sorgfältig hinschrieb.
Fünftes Kapitel
Auf dem Rückweg zum Weißen Torso fühlte ich mich so unbeschwert wie den ganzen Tag nicht. Der Besuch in der Bibliothek war aufbauend gewesen, ein Wort, das eine gewisse Verbündete von mir gebrauchte, um Dinge zu beschreiben, die den Kopf klarer und das Herz froher machen. Ein Wurzelbier-Shake ist aufbauend, eine verschlossene Tür aufzubekommen ebenso. Hoffentlich, dachte ich, würde diese Verbündete meine Buchbestellung bei der Fourier-Filiale der Bibliothek bald in Händen halten und sich so unnötigen Ärger ersparen.
Mir sollte der Ärger nicht erspart bleiben, das sah ich schon von weitem, als ich zum Weißen Torso zurückkam, denn vor dem Hotel parkte ein Auto mit rotem Licht auf dem Dach. Es sah wie ein Polizeiwagen aus, aber beim Näherkommen stellte ich fest, dass es ein klappriger Kombi war, auf dessen Dach jemand eine Taschenlampe geklebt hatte. Nichtsdestoweniger standen zwei uniformierte Erwachsene vor den Stufen zum Weißen Torso, und auf den Stufen saß Theodora. Sie musste beim Reden zu ihnen aufblicken, und ihre Augen unter dem Haar wirkten ernst und besorgt. Ernsthafte Unterhaltungen, so war uns beigebracht worden, sollte man grundsätzlich nie aus einer Position heraus führen, in der man zu seinem Gesprächspartner aufblicken muss. Ich hatte es absurd gefunden, so etwas zum Lernstoff für Kinder zu machen, die per se kleiner sind als fast alle anderen, und das hatte ich auch gesagt. Zur Strafe hatte ich in der Ecke sitzen müssen. Der Lehrer sah von da noch größer aus.
» Snicket«, sagte Theodora, als ich das Hotel erreichte. » Das sind die Wachtmeister Mitchum.«
Die beiden Wachtmeister drehten sich nach mir um, und ich fand mich einem Mann und einer Frau gegenüber, die sich so ähnlich sahen, dass sie entweder Zwillinge oder schon sehr lange miteinander verheiratet sein mussten. Sie hatten beide birnenförmige Körper mit kurzen, dicken Beinen und sauertöpfisch gebogenen Armen, und beide wirkten sie, als hätten sie einen zu kleinen Kopf anprobiert und wollten den Köpfeverkäufer gerade um die nächstgrößere Größe bitten.
» Meine Frau und ich haben ein paar Fragen an dich«, sagte der männliche Wachtmeister Mitchum, anstelle von » Guten Abend« oder » Nett, deine Bekanntschaft zu machen« oder » Ich dachte,
Weitere Kostenlose Bücher