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Der Fluch der falschen Frage

Der Fluch der falschen Frage

Titel: Der Fluch der falschen Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lemony Snicket
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Kaufhaus mit Fenstern voller Schaufensterpuppen, die nichts als heimwollten. Die Sonne sank hinter dem hohen, griffelförmigen Turm. Ich versuchte mich auf die Statue der Bordunbestie zu konzentrieren, aber meine Gedanken schweiften ab, erst zu den Höhlen draußen vor der Stadt, in denen verängstigte Tintenfische ihre Tinte abgaben, und dann zu einem größeren, tieferen Loch in der Hauptstadt. Ich befahl mir, nicht über Dinge nachzugrübeln, an denen ich doch nichts ändern konnte, und sah aus dem Fenster, während das Taxi das Herrenhaus passierte und den Hügel hinauffuhr.
    » Hatte euer Vater schon mal Mrs Sallis als Fahrgast?«, fragte ich.
    » Ich glaube nicht«, erwiderte Boing. » Als die Sallis noch hier in der Stadt waren, hatten sie ihren eigenen Chauffeur.«
    » Sind sie jetzt denn nicht in der Stadt?«
    » Wenn, dann wissen wir jedenfalls nichts davon«, rief Quietsch vom Boden des Wagens.
    Ein paar Minuten später lag auch das kleine weiße Häuschen hinter uns, und Quietsch brachte das Taxi routiniert vor dem Leuchtturm zum Stehen. » Sollen wir warten und dich nachher wieder in die Stadt zurückbringen?«, fragte Boing.
    » Nein danke«, sagte ich.
    » Na, hoffentlich weißt du, was du tust«, sagte Boing und langte an mir vorbei, um mir die Tür zu öffnen. » Hier draußen ohne eine Rückfahrgelegenheit… Und? Apfel oder Ei?«
    » Wie wär’s stattdessen mit einem Buchtipp?«, sagte ich mit Blick auf den Bücherstapel. » Wenn ihr das nächste Mal in der Bibliothek seid, leiht euch ein Buch über einen Weltmeister aus.«
    » Von diesem Autor mit der ganzen Schokolade?«
    » Ja, aber das hier ist noch besser. Es hat ein paar ganz hervorragende Kapitel.«
    » Solche Tipps können wir brauchen«, sagte Quietsch. » Boing liest mir zwischen den Fahrten immer vor.«
    Ich schlug die Tür hinter mir zu und klopfte zum Abschied ans Fenster. Boing winkte, und das Taxi fuhr weg. Ich wartete, bis das Motorgeräusch verklungen war, und stand dann eine Weile einfach da und sah am Leuchtturm empor. Ich hoffte dasselbe wie die beiden Bellerophon-Vertretungsfahrer: dass ich wusste, was ich tat. Ich bezweifelte es. Ich hörte das schaurige Zischeln des Windes in den Tangsträngen des Klausterwaldes tief unter mir und dann, vor mir, das weitaus alltäglichere Klappern einer sich öffnenden Tür.
    » Lemony Snicket«, sagte eine Stimme.
    » Hallo, Moxie«, sagte ich. » Was gibt’s Neues?«
    » Das frage ich dich«, sagte sie. » Du stehst schließlich bei mir vor der Tür.«
    Ich blinzelte zum dämmrigen Himmel hinauf, bis ich über mir die verschwommene Linie der Trosse ausgemacht hatte, die sich talwärts senkte. Warum nicht?, dachte ich und drehte mich wieder zu Moxie Mallahan um. » Ich wollte gern eine Einladung aussprechen«, sagte ich.
    Sie erlaubte sich ein schmales Lächeln. » Ach ja? Wozu denn?«
    » Zu einem Einbruch, der heute Abend in eurem Haus stattfinden wird«, sagte ich und trat ein.

Sechstes Kapitel
    » Das ist sehr nett von dir, Snicket«, sagte Moxie. » Ich weiß nur nicht, ob es als Einbruch zählt, wenn der g es tohlene Gegenstand seinem Besitzer nichts wert ist.«
    » Wie meinst du das?«, fragte ich.
    Moxie zwinkerte mir unter ihrer Hutkrempe hervor zu. » Tu nicht so, Snicket. Du bist hier, um die Bordunbestie zu stehlen, stimmt’s?«
    » Woher weißt du das?«
    Moxie ging zu ihrer Schreibmaschine, die an ihrem üblichen Platz auf der Treppe stand und in die ein Bogen Papier eingespannt war. Sie überflog rasch noch einmal, was sie dort geschrieben hatte. » Ich bekam Besuch von einem Fremden«, las sie vor, » in Begleitung einer älteren Frau, die vorgab, mit ihm verheiratet zu sein. Der Fremde äußerte Interesse an einem bestimmten Gegenstand und war sichtlich überrascht, ihn von mir gezeigt zu bekommen. Und jetzt stehst du hier und redest von Einbruch.«
    » Du bist eine sehr gute Journalistin«, sagte ich ihr.
    » Schmeicheleien langweilen mich, Snicket. Willst du die Statue stehlen oder nicht?«
    » Ja«, antwortete ich mit einer winzigen Überwindung. » Macht es dir sehr viel aus?«
    Ihr Lächeln verbreiterte sich. » Kein bisschen«, sagte sie und drückte die offene Haustür ins Schloss. Sie justierte ein Rädchen an ihrer Schreibmaschine und sah mir dann ins Gesicht. Sie war nicht größer als ich, aber ich musste trotzdem aufschauen, um ihren Blick zu erwidern, entgegen allem, was mir beigebracht worden war. » Lemony Snicket, ich glaube, es wird Zeit, dass du mir

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