Der Fluch der grünen Steine
bevor er seinen Atem ausstoßen konnte, um den Giftpfeil mit ungeheurem Druck abzuschicken, traf ihn ein Schlag in den rechten, angewinkelten Arm, dem ein heißer Schmerz folgte. Das Blasrohr fiel aus seiner plötzlich kraftlosen Hand, er atmete seufzend aus und starrte auf das Messer, das in seinem Arm stak. Gleichzeitig aber hörte er eine schreiende Jungenstimme, die den Lärm um ihn herum übertönte.
»Festhalten! Mörder! Mörder! Festhalten. Er wollte unseren Doctor umbringen!«
Henry Duk wirbelte herum. Die Schrecksekunde war vorbei, nun begriff er seine Situation. Er preßte den blutenden Arm mit dem Messer an sich und wollte wegrennen, den Hang hinunter in die mit Buschwerk verfilzte Schlucht, aber ein langer, dürrer Mann stellte sich ihm in den Weg, hob das rechte Bein und trat Duk in den Unterleib. Heulend krümmte sich der Glatzkopf zusammen, versuchte trotzdem, weiterzutorkeln, aber drei Männer von der ›Burg‹ ergriffen ihn, rissen ihn hoch und trugen ihn zum Hospital. Duk wimmerte und schrie, wollte um sich treten und schlagen, aber die Männer hieben ihm auf den Mund, drückten ihm die Kehle zu und schleppten ihn weiter.
»Das war gut, Pablo«, sagte Juan Zapiga zu seinem Sohn. Der Junge lehnte bleich an der Kirchenwand, seinen dick geschwollenen, unbeweglichen Arm in einer Schlinge. Die andere Hand zitterte noch, als habe der Messerwurf alle seine Nerven entzündet. Plötzlich weinte er und warf den Kopf zurück.
»Mit einem Blasrohr, Papa«, stammelte er. »Er wollte unseren Médico mit einem Blasrohr töten. Im letzten Moment habe ich es erkannt.«
»Du hast hervorragend geworfen, Pablo.« Zapiga zerwühlte die Haare seines Sohnes. »Ich bin stolz auf dich! Warum weinst du?«
»Ich habe zum erstenmal auf einen Menschen geworfen.«
»Aber du hast damit einem anderen Menschen das Leben gerettet. Hast du gesehen, wie ich ihn getreten habe?«
»Ja, Papa.« Pablo blickte hinüber zum Hospital. Dort hatte man Duk zu Dr. Novarra geschleppt. Dr. Mohr und Pater Cristobal redeten auf Novarra ein. Dr. Simpson schrie mit den Guaqueros herum, die sich näherdrängten. Einige schwenkten Taue oder drohten mit erhobenen Messern. »Was machen sie jetzt mit ihm?«
»Wie würdest du über einen Mörder entscheiden, der unseren Médico töten wollte?«
»Frag mich nicht, Papa …«, sagte Pablo leise.
»Dann dreh dich um, geh in die Kirche, bete und warte. Ich sage dir Bescheid, wenn alles vorbei ist. Pablo, du bist ein tapferer Junge …«
Novarra hielt sich mit Vorreden nicht auf. Er drehte das Blasrohr in seinen Händen, betrachtete den eingelegten Giftpfeil und hob wie schaudernd die Schulter. Dann blickte er Duk an, der bleich und mit schwammigem Gesicht, über das ein Blutrinnsal lief, in den Händen von vier Männern hing. Um sie herum schrien die anderen in verschiedenen Chören: »Hängt ihn auf! Erschießen! Erschießen! Ins Feuer legen und rösten! Dreht ihm den Hals um!«
Henry Duk schnappte nach Luft. Der Tritt in den Unterleib wirkte noch nach, aber er war so weit wieder bei klarem Verstand, um zu erkennen, daß seine einzige Chance die Gnade war. Mehr gab es für ihn nicht mehr.
»Ein Blasrohr«, sagte Novarra gedehnt. »Lautlos, schnell und sicher. Wer denkt daran, daß jemand unter uns ist, der mit einem indianischen Blasrohr töten kann?! Es wäre ein perfekter Mord gewesen. Auf dich, mein Dickerchen, wäre nie jemand gekommen.« Er blickte zu Dr. Mohr und Pater Cristobal. Margarita hatte sich vor Dr. Mohr gestellt, als wolle sie ihn jetzt noch mit ihrem Körper schützen. Sogar der auf ewig beleidigte und gedemütigte Adolfo Pebas war aus seinem Haus gekommen, hatte sich durch die Menge gedrückt und starrte Duk an.
»Pater … Doctor … haben Sie nichts in der Kirche oder im Hospital zu tun?« fragte Dr. Novarra finster.
»Nein!« antwortete Pater Cristobal.
»Verdammt! Ich möchte, daß Sie hier verschwinden! Vielleicht will jemand beichten?«
»Jetzt nicht …«
»Doch! Ich!« Pebas trat vor. »Ich möchte jetzt beichten.«
»In einer Stunde, mein Sohn«, sagte Cristobal mahnend.
»In einer Stunde kann ich tot sein. Wissen Sie es? Man hat uns gesagt: Mit Gott kann man zu jeder Zeit sprechen! Also, ich will mit ihm sprechen. Jetzt sofort!«
»Gut.« Pater Cristobal faltete die Hände. »Dann sprich!«
»Hier?«
»Gott ist überall!«
»Die Beichte unterliegt dem Geheimnis.«
»Dann flüstere mir ins Ohr …«
»Verflucht, sind Sie ein sturer Hund, Pater!« schrie
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