Der Fluch der Halblinge
was auch geschieht.«
»Selbstverständlich, Herr.«
Drei Tage später, als er gerade auf dem Weg zu der Besprechung mit dem Schreiber war, wurde Pirmin plötzlich von hinten eine Kapuze übergestülpt, und er wurde fortgezerrt. Zuerst überrascht, glaubte der Oberste Haushofmeister an einen Scherz. Keinesfalls konnte das ernst gemeint sein! Schließlich wusste jeder, wer er war, und bei Hofe war er sicher. Wer, wenn nicht er? Also setzte er sich voller Unglauben an Schlimmeres nur halbherzig zur Wehr.
Doch dann begannen echte Angst und Sorge, sich in ihm zu regen. Pirmin kannte den Palast bis ins Kleinste, seit Jahrzehnten wandelte er hier durch die Gänge. Er wusste, wohin sie ihn schleppten – in einen Seitenflügel des Gesindes, direkt über dem Küchengewölbe und den Weinkellern. Sicher, die Hofschranzen ließen sich ab und zu üble Scherze einfallen, um Rache wegen irgendeiner Verwarnung oder einer Benachteiligung zu nehmen. Bisher hatten sie sich nicht an ihn herangewagt, aber seit die Àrdbéana erkrankt war, verkamen Disziplin und Respekt zusehends, und Pirmins Stand war keineswegs mehr so deutlich erhöht wie vorher. Noch dazu, seit Hauptmann Tiarnan den Schutz des Palastes übernommen und Pirmins Autorität untergraben hatte. Doch ein offener Angriff wäre ein unerhörter Scherz. Im Palast, vor aller Augen, so sie denn nur jemanden auf den Fluren antrafen, würde es niemand wagen, sich so etwas herauszunehmen. Das hier konnte kein fehlgeleiteter Spaß sein!
Sie zerrten ihn in ein Zimmer, die Tür schlug zu, und der Schlüssel wurde umgedreht. Dann wurde Pirmin die Kapuze abgenommen, und er blinzelte. Der Raum war abgedunkelt, die Läden vor dem Fenster verschlossen. Der Oberste Haushofmeister konnte kaum etwas erkennen, seine Augen waren vor allem bei Dämmerlicht nicht mehr sonderlich gut. Er sah Schemen, die sich bewegten. Vier, nein fünf … oder sechs. Ganz sicher war er sich nicht, weil sie irgendwie miteinander verschwammen.
»Hör gut zu«, zischte eine Stimme, die weder männlich noch weiblich war. Sie gehörte zu einem der Verhüllten, unkenntliche Gestalten, an denen nichts einen Rückschluss darauf erlaubte, ob sie Menschen oder Elben waren.
»Ich werde nicht zuhören, bevor ich nicht weiß, wer da spricht«, sagte Pirmin streng.
Der Schlag kam sofort, und er wusste nicht, woher. Doch im nächsten Moment fand der Oberste Haushofmeister sich auf dem Boden wieder und rieb sich den schmerzenden Nacken. Verwirrt und gedemütigt zwang er sich auf die Beine.
»Genügt dir das als Vorstellung?«, fuhr die heisere Stimme fort.
Pirmin erwog die Antwort. Schließlich sagte er nur: »Ja.«
»Also dann, beginnen wir von Neuem. Du wirst aufhören, den Hof zu hintertreiben, du wirst aufhören, andere für deine Zwecke einzuspannen, du wirst aufhören, Intrigen zu spinnen.«
»Ich spinne keine …«, setzte Pirmin empört an, wurde jedoch von einem so scharfen Zischen unterbrochen, dass er Blut auf seiner Zunge fühlte, als habe er damit über ein zu scharfes Messer geleckt.
»Du wirst deiner Arbeit nachgehen wie bisher und die Einschränkungen akzeptieren. Du wirst aufhören, Hauptmann Tiarnan in Frage zu stellen und seinen Anweisungen folgen, insofern sie die Sicherheit des Palastes betreffen. Du wirst deiner Herrin dienen und sie schützen, aber sie nicht mit den Vorgängen im Palast belasten. Und du wirst aufhören, die Bogins zu verhören. Die sind nicht mehr deine Angelegenheit. Du wirst den Palast nicht ohne Begleitung und nicht ohne Hauptmann Tiarnans Erlaubnis verlassen. Wenn du das tust, wird alles gut ausgehen. Haben wir uns verstanden?«
Pirmin, der eigentlich abgebrüht und weitgehend gefühlskalt war, fühlte eisige Angst in sich hochkriechen. »Wer seid ihr?«, flüsterte er.
»Niemand, der dich interessieren sollte. Doch sei versichert, wir hüten Sìthbaile. Nichts anderes liegt uns am Herzen.«
Das war schwer zu glauben. Aber Pirmin wagte kein weiteres Wort mehr. Er spürte die Anwesenheit von etwas Dunklem, sehr Mächtigem, das die Verhüllten überlagerte wie eine Schattendecke. Auch sie waren nicht frei, davon war er schnell überzeugt. Sie hatten genausowenig eine Wahl wie er.
»Meiner Herrin darf nichts geschehen«, bat er.
»Sie wird unversehrt bleiben, denn wir brauchen sie«, lautete die Antwort. »Ihre Schwäche ist ein Ärgernis, doch wir werden eine Lösung finden, ihren Widerstand zu brechen.«
Pirmin stutzte. Sollte das etwa bedeuten … dass die Àrdbéana
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