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Der Fluch der Halblinge

Der Fluch der Halblinge

Titel: Der Fluch der Halblinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prisca Burrows
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noch wenige Schritte für das Pferd, bevor es den Bogin umrannte. Der Elb hielt das Schwert in der linken Hand auf Tiw gerichtet, doch er wiederholte seine Aufforderung nicht, und seine grimmige Miene löste sich allmählich.
    Tiw gestattete sich keinen euphorischen Gedanken, er blieb höchst konzentriert und stand völlig starr, ohne auch nur mit einem Muskel zu zucken.
    Er spürte den warmen, dampfenden Atem aus den Nüstern des Pferdes, als es dicht vor ihm verhielt. Das Tier war ihm unheimlich, doch er ließ sich auch davon nicht ablenken. Es ging um den alles entscheidenden Moment über sein Leben.
    Niemand … nichts … Leere …
    Tiw dachte sich weg.
    Und war weg.
    Der Elb ließ auf einmal das Schwert sinken und blinzelte. Sah sich suchend um. Er war so verwirrt, dass er völlig vergaß, die typische ausdruckslose Miene beizubehalten, um nur ja keine Gefühle preiszugeben. Seine Ratlosigkeit war ihm deutlich anzusehen. Was hatte er doch gleich gewollt? Warum hatte er das Schwert gezogen? Der Unsterbliche betrachtete es, als würde er es zum ersten Mal sehen, und steckte es wieder ein.
    Tiw wagte einen Schritt nach rechts und stand damit an der linken Seite des Pferdes. Das Schwert war nun keine Bedrohung mehr für ihn, aber das große, mehr als zehnmal schwerere, muskulöse Tier mit den harten, eisenbeschlagenen Hufen. Da der Elb die Zügel in der rechten Hand hielt, lenkte er seinen Hengst, um die Schwerthand freizuhaben, höchstwahrscheinlich zur rechten Seite weiter. Tiw konnte natürlich falsch liegen mit seiner Vermutung, aber er musste sich entscheiden.
    Und er hatte Glück. Das gehörte eben auch dazu. Der Kopf des Pferdes schwenkte nach rechts, es trat an, und gleich darauf scheuchte der Elb wieder die Leute aus dem Weg.
    Tiw rang nach Luft wie ein Ertrinkender. Nun, nachdem er sich entspannen durfte, brach ihm der Schweiß aus, und ihm zitterten die Knie. Diese Vorstellung hatte ihn eine Menge Kraft gekostet, und er sollte sich eigentlich zuerst erholen. Aber er musste sich beeilen, sonst machten sich die anderen Sorgen. Immerhin war er jetzt wieder ganz bei sich.
    Hastig setzte er seinen Weg fort. Ihm kam zugute, dass er sich in den vergangenen Tagen genau in der Stadt umgesehen und sich die Wege eingeprägt hatte. So nahm er einige Abkürzungen und mied fortan vor allem die großen Straßen.
    Kurz vor Einbruch der Nacht erreichte er die Rückseite des Anwesens von Meister Ian Wispermund. An dieser Stelle grenzten die Mauern einiger Grundstücke aneinander, und es war alles wild überwuchert und bewachsen – Büsche, Bäume, Misteln, Efeu, Flechtranken, Heckenrosen … niemand käme auf die Idee, dass es hier kleine, geheime Pfade gab.
    Tiw wusste davon, weil er sich mit den Kindern auf Fionns Geburtstag unterhalten hatte. Die Kleinen schlichen sich ab und zu heimlich davon, um sich mit anderen Boginkindern zu treffen und in deren Gärten zu spielen, ganz hinten in den verwilderten Bereichen an der Mauer, wo sie niemand sah. Sicher kannte auch Fionn diesen Geheimweg, denn das setzte sich von Generation zu Generation fort.
    Er musste eine Weile suchen, bis er den Eingang zu einem Pfad fand. Hier waren wirklich immer nur Kinder unterwegs, so schmal waren die Spuren und doch regelmäßig ausgetreten. Im Dickicht war es ziemlich dunkel. Die Öllampen an den Straßen waren bereits entzündet, jedoch ein gutes Stück entfernt. Aber Tiw genügte der Hauch von Licht, der noch vorhanden war, und er bewegte sich gebückt und lautlos Richtung Mauer. Hoffentlich musste er den Eingang nicht lange suchen …
    Schlagartig verharrte Tiw und lauschte. Da war jemand. Schlich sich an, auf ungeübte Weise, mit viel zu viel Lärm. Kein Schritt, den er kannte. Für einen Zwerg viel zu kurz, aber keinesfalls ein Kind. Ein Bogin konnte es nicht sein, die waren schließlich alle im Verlies; also ein anderer Angehöriger der Kleinen Völker. Und da sah er auch schon einen Schemen, dunkler als das Dickicht, der sich der Mauer näherte, nur wenige Schritte von ihm entfernt.
    Tiw verschlug es fast den Atem von dem Gestank, der von dem Schleicher ausging. Als käme er direkt aus der Jauchegrube. Was für ein Wesen mochte das sein? Und welche Absichten gegen den Gelehrten hegte es?
    Das Wesen schickte sich an, die Mauer zu erklimmen – und da entdeckte Tiw den schmalen Durchschlupf. Bequem zu erreichen auch für erwachsene Bogins. Woher kannte der Schleicher diese Stelle?
    Er stürmte vor, hielt den Atem an, um nicht von dem

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