Der Fluch der Halblinge
sprach kein Wort mehr und ging hängenden Hauptes hinaus.
Viele trippelnde Schritte und murmelnde Stimmen näherten sich, und bald darauf drängelten und strömten eine Menge Bogins in die große Halle. Allen voran schritten Fionns Eltern, die Onkelchen Fasin stützten, der sehr alt und schmal geworden war in den Tagen der Gefangenschaft, doch auf eigenen Beinen in die Freiheit gehen wollte.
Nach den langen Tagen in der Dunkelheit blickten sie sich alle blinzelnd um. Sie sahen zum ersten Mal das Innere des Palastes, den Hofstaat, die strahlende Gestalt des Hochkönigs der Elben, und … und einen breitschultrigen, schwer bewaffneten Hünen mit grauen Haaren in königlicher Robe, den sie bisher nur als Schreckgespenst aus Geschichten gekannt hatten. Auf dem Weg hierher hatten sie erfahren, was geschehen war und wer dieser Mann war, aber so ganz begriffen sie noch nicht.
Mit fragenden Gesichtern blieben sie stehen.
Alle sahen abgerissen, blass und mager aus, doch ihr Stolz und ihr Lebensmut waren ungebrochen. Allmählich klärten sich ihre Blicke, und sie fingen zaghaft an, daran zu glauben, dass sie nicht träumten, sondern dass es wirklich ein gutes Ende nahm.
»Fionn!«, rief Alana plötzlich und lief los.
Fionn rannte seiner Mutter entgegen und umarmte sie stürmisch, und dann seinen strahlenden Vater. Alana vergoss Tränen über die Wiedersehensfreude. »Groß bist du geworden! Ein strammer Bursche!«
Fionn verzichtete darauf ihr zu sagen, dass er vorher schon genauso groß gewesen war, aber stramm, das stimmte. Er war weit entfernt von dem verwöhnten mageren Bürschlein, das übermütig sein Volljahr gefeiert hatte.
»Und was ist mit mir?«, beschwerte sich Tiw und trat zu seiner Mutter. »Wird Zeit, dass du mich auch endlich mal umarmst.«
»Ja, schon recht, großer Junge«, winkte sie zuerst ab, schloss ihn dann jedoch in ihre Arme und drückte ihn an sich. »Dafür bist du eigentlich schon zu alt, und offengestanden habe ich dich viel früher erwartet! Ich dachte, du holst uns von da unten raus …«
»Ach, nun hör schon auf zu nörgeln«, murmelte er.
Da schob sie ihn auch schon weg. »Cady!«, rief sie fassungslos. »Seht doch, Cady hat es geschafft, sie lebt! Sie hat uns alle befreit!«
Im Nu war die junge Frau von einer Menge Bogins umringt, die sie alle gleichzeitig umarmen und an sich drücken wollten, allen voran Melissa. Fionn hätte Cady auch gern umarmt. Aber das musste noch warten. Umso schöner würde es dann werden. Nun hatten sie ein Leben lang Zeit dafür.
Onkelchen Fasin baute sich vor Peredur auf, der ihn um mehr als Haupteslänge überragte. »Und damit sind wir also frei?«
»Das seid ihr«, bestätigte der König. »Frei aus dem Verlies, und frei aus der Sklaverei. Ihr könnt von nun an gehen, wohin ihr wollt, und allein über euer Leben bestimmen.«
Schlagartig legte sich Stille über die Halle, als die Bogins begriffen, was der König ihnen gerade gegeben hatte.
Echte, schrankenlose Freiheit.
Noch konnten sie die Tragweite dieser Entscheidung nicht völlig ermessen, da sie die Freiheit nie gekannt hatten.
Onkelchen Fasin fasste sich als Erster. »Dann muss ich mich also auf meine alten Tage nach einem Dienstherrn umsehen, der mich gegen Bezahlung annimmt, um mein Auskommen zu haben?«, polterte er.
Meister Ian Wispermund räusperte sich. »Onkelchen Fasin, du kommst natürlich zu mir, und wir werden meine sämtlichen Brandyvorräte plündern und über die Bücher in meiner Bibliothek diskutieren, die du all die Jahre über heimlich gelesen hast.«
»Werde ich dafür bezahlt?«
»Du darfst kostenlos bei mir wohnen und essen, und das schließt auch den Brandy ein.«
»Also schön, dann nehme ich an.« Hoch erhobenen Hauptes watschelte der alte Bogin zu seinem ehemaligen Herrn, der ihn lächelnd wie einen Freund empfing.
Fionn trat zu ihnen und hielt Onkelchen Fasin das Buch der Bogins hin. »Ich lege es in deine Obhut«, sagte er. »Eines Tages werden wir es öffnen und vollständig lesen. Unsere Geschichte seit Anbeginn steht darin.«
»Es wird sicher verwahrt sein«, sagte Meister Ian Wispermund lächelnd.
Peredur hob die Arme. »Hört mir zu, ihr Bogins – alle! Wer mich nicht hören kann, dem möge zugetragen werden, was ich hier sage.«
Sie wandten sich ihm zu, immer noch völlig verwirrt.
Der König sprach laut und deutlich. »Eure Sklaverei war unrechtmäßig. Ihr seid ein freies Volk, das seid ihr immer gewesen. In Du Bhinn, wo der Zauberer vom Berge
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