Der Fluch der Halblinge
geweiht.
Es gab viele Märchen über verzauberte Menschen und Gespenster, die von den Bogins gern aufgenommen und abgewandelt wurden, um sie den Kindern am Nachtlager zu erzählen oder um den Unerzogenen einen Schrecken einzujagen.
»Entschuldige bitte, Söhnchen«, erklang Onkelchen Fasins zurechtweisende Stimme, der gerade erwacht und sofort im Bilde war. »Aber Peredur gibt es genauso wenig wie die Gute Fee, die drei Wünsche erfüllt.«
»Aber die Thahnfee gibt ef!«, rief ein Junge mit zwei Lücken statt Schneidezähnen.
Fionn schwirrte der Kopf; dieses Ende nach einer solchen Geschichte hatte er nicht erwartet, und es verdarb alles. Tiw war also doch nur ein Spinner, Tulpur hatte ganz recht gehabt.
»Es steht alles in dem Buch«, beharrte Tiw, und nun wurden ärgerliche Stimmen laut.
»Schon wieder dieses ominöse Buch! – Hört das denn nie auf? – Gebt ihm doch endlich was zu trinken, wahrscheinlich ist er völlig ausgedörrt, dass er keinen klaren Gedanken mehr fassen kann!«
»Es gibt freie Bogins!«, setzte Tiw noch eins oben drauf. »Früher sind wir alle frei gewesen! Fragt die Freien, sie wissen es noch!«
»Wo sollen die denn sein?«, fragte Fionn ratlos.
»Schluss, aus!«, fuhr Onkelchen Fasin donnernd dazwischen. »Zügle dein Mundwerk, Frevler! Du bringst uns mit deinen aufrührerischen Reden alle noch in große Schwierigkeiten, und dann wird uns kein Oberstes Gesetz mehr schützen!«
»Musik!«, befahl Fionns Mutter Alana mit energischer Stimme. »Los, spielt auf!«
»Also, wenn das keine Romantik ist!«, rief Tuagh dazwischen und hob seinen Krug. »Du verliebst dich in ein zauberhaftes Mädchen, und jemand gibt die Geschichte von Peredur zum besten!«
Na schön, dachte Fionn bei sich, wenn man’s genau nahm, ging es doch irgendwie um Romantik. Er wusste selbst nicht genau, warum er das mit Cady erzählt hatte. Wahrscheinlich, um Tuagh deutlich zu machen, wie ernst die Lage war. Er liebte Cady, es gab nichts daran zu rütteln, und es war ungerecht, dass sie ihm weggenommen und ins Verlies geworfen worden war. Dass er auf der Flucht war und nichts für sie tun konnte.
»Das mit dem verlorenen Herzen habe ich aber zum ersten Mal gehört«, erwiderte Fionn. »Tiw zeigte jedenfalls eine blühende Fantasie, und er war schuld an allem, was dann geschah.«
»Oder er hat die Geschichte bei den Elben aufgeschnappt«, überlegte der Wanderkrieger und rieb sich den Bart. »Heda, Elben!«, rief er zu dem Tisch der beiden Unsterblichen aus Brandfurt hinüber. »Was wisst ihr über Peredur?«
Da horchten alle in der Stube auf, und ehe Fionn sich versah, drängten sie sich in die kleine Nische. Jeder, einschließlich der Elben, wusste eine Geschichte über das Schauergespenst, den Klagegeist, das Irrlicht zu berichten. Irgendjemandes Großvater wollte gar gewusst haben, dass er tatsächlich der letzte Ritter gewesen sei. Während der Schlacht habe er seinen Kopf verloren und sei daher unermüdlich auf der Suche danach, um endlich seine ewige Ruhe zu finden. Andere wiederum wussten von einer unglücklichen Liebschaft – »Hat bestimmt eine Frau erfunden!«, rief jemand, was Gelächter auslöste –, und es gab eine Menge Varianten, die zwar interessant oder spannend, aber völlig übertrieben waren. Fionn glaubte nicht daran, dass an diesen Ausführungen mehr dran war als an jeder anderen Gespenstergeschichte, etwa der von der Weißen Frau.
»Und wie ging es weiter?«, wurde aus der Runde gefragt.
»Das Fest war kurz darauf beendet«, antwortete Fionn, »nicht zuletzt wegen Tiws schlechtem Benehmen. Die Gäste nahmen ihre Kinder und machten sich auf den Weg nach Hause, um für die Herrschaft die Bettstatt vorzubereiten. Es war ja auch schon spät, und zu trinken gab es ohnehin nichts mehr.«
»Langweilig«, wurde ihm beschieden, und die Gesellschaft zerstreute sich wieder.
»Ich bleibe«, äußerte Tuagh nicht unerwartet. »Nun kommen wir zum Blutgericht, stimmt’s?«
»Ja, beinahe.« Fionn hatte sich überlegt, ob er sich einem Fremden derart anvertrauen durfte, aber es brannte ihm auf der Zunge. Seit dem Mord hatte er mit niemandem darüber reden können, weil alles so schnell gegangen war, und weil er immer noch nicht verstand. Er konnte im Grunde weder sich noch einem anderen damit schaden, denn die Wahrheit bedeutete Unschuld, an die momentan leider niemand außer den Betroffenen glaubte, zumindest im Palast nicht. Es war wichtig, dass wenigstens einer , der nicht darin verwickelt
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