Der Fluch der Halblinge
so«, gab der Posten zurück, und der andere hielt die Frau und Fionn auf.
»Wohin willst du?«
»Auf meinen Hof, beim Glasbach, ich bin schon viel zu spät dran«, antwortete die Frau. »Papiere habe ich keine, ich komme fast jeden Tag, um einzukaufen oder zu verkaufen.«
»Sind die zwei deine?«
»Ja, bedauerlicherweise, wobei ich erwäge, diesen Bengel da meiner Schwester zu überlassen, die betreibt eine Wassermühle und kann noch jemanden am Rad brauchen.«
Der Posten wollte gerade unter Fionns Kinn greifen und seinen Kopf zu sich anheben, da gab sie dem Bogin eine Ohrfeige, heftig genug, dass sie rote Striemen auf der rosigen Wange hinterließ. Und übrigens auch ordentlich schmerzte, doch Fionn wollte für seine Freiheit tapfer alles ertragen, und er war ohnehin viel zu aufgeregt, um wehleidig zu sein. Doch seine Rolle vergaß er dabei nicht und heulte jetzt laut los.
»Ich will’s ja nie wieder tun, Mama!«, plärrte er los und schlug sich die Hände vors Gesicht.
Und wie aufs Stichwort brüllte nun auch der Säugling, aber so laut, dass sich hinten die Ochsen laut muhend beschwerten. Unruhe kam auf, sämtliche Zugtiere ließen sich davon anstecken. Die Warterei in der Reihe hatte alle zermürbt, auch die Tiere.
»Da, was hab ich gesagt? Gleich passiert ein Unglück!«, schimpfte der Bauer hinter ihnen los, sprang vom Wagen und versuchte, seinen schnaubenden Kaltblüter im Zaum zu halten. »Bei allen Zwergenfürzen, lasst das Weib endlich durch, das ist ja unerträglich!«
»Ja, Mann, lass sie gehen«, sagte der zweite Posten. »Wir werden sonst nie fertig.«
»Geht schon«, knurrte der erste Posten und hielt sich demonstrativ ein Ohr zu.
Die Frau packte Fionns Arm und zog ihn durch das Tor. Sie mussten weitere zwanzig Schritte gehen, um auch die Elbenmauer zu passieren; auch hier gab es ein Tor aus Metall, das auf nicht erkennbare Weise im Buschwerk verankert war. An dieser Stelle wurde jedoch nur kontrolliert, wer die Stadt betreten wollte, und sie gelangten ungehindert hinaus.
Hier draußen gab es ein Lager mit Zelten und kleinen Ständen, an denen Erfrischungen feilgeboten wurden. Müde Wanderern lagerten kreuz und quer neben der Straße.
Die Frau lockerte ihren Griff und führte Fionn zu einem freien Platz zwischen all den anderen, die ihnen keinerlei Aufmerksamkeit schenkten. Die Rastenden nahmen eine kleine Mahlzeit zu sich, plauderten oder schliefen. Es gab zwar Wachen, die darauf zu achten hatten, dass hier draußen kein Handel getrieben wurde, um die Stadtsteuer zu hintergehen, doch die gingen ihre Aufgabe recht gemütlich an. Sie hatten sich bei einem Bierstand niedergelassen und ließen es sich schmecken.
Der Säugling hatte längst wieder zu schreien aufgehört und nuckelte zufrieden am Daumen. Fionn fragte sich, wie die Frau es erreicht hatte, dass er genau im richtigen Moment losschrie. Sie setzten sich nebeneinander ins platt gedrückte Gras; die Sonne tat gut, denn hier draußen war es bedeutend kühler als in der Stadt. Die Frau zog den Beutel von ihrem Rücken, breitete ein Tuch aus und legte darauf in Tuch eingewickeltes Brot und Käse, und dazu einen Wasserbeutel.
»Greif zu«, forderte sie Fionn auf.
Zögernd kam er der Aufforderung nach, weil er es nicht richtig fand, ihr zur Last zu fallen; aber vor allem der Durst quälte ihn, und sein eigener Beutel war längst leer. Nach Essen war ihm noch nicht so sehr zumute, was für einen Bogin eher ungewöhnlich war, jedoch bewies, unter welcher Anspannung Fionn stand. Dankbar streckte er die schmerzenden Füße aus. »Warum hast du das getan?«, fragte er leise.
»Dein Freund hat mir das Leben gerettet«, antwortete sie schlicht. Nach einer Weile fügte sie hinzu: »Außerdem gefällt es mir nicht, dass ihr plötzlich in Ungnade gefallen sein sollt.«
»Wann hast du gemerkt, dass ich ein Bogin bin?«
»Sofort. Ich bin Mutter, ich weiß, wie ein zehnjähriger Junge aussieht. Und dass er keinesfalls so große Füße haben kann, die Erwachsenenstiefel benötigen.«
»Glaubst du, ich wurde noch von anderen erkannt?«
»Von einigen bestimmt, und von allen Kleinen Völkern. Aber der Vorteil einer solch riesigen Stadt besteht darin, dass jeder nur seinen eigenen Geschäften nachgeht. Damit überlebt man am besten. Man kann sich jede Menge Ärger einhandeln, wenn man andere denunziert. Das gilt besonders für die Kleinen Völker – heute sind es die Bogins, morgen die Pixies, und wer weiß, wen es übermorgen trifft.«
Sie hob
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