Der Fluch der Halblinge
verfahren ist. Es spielt dabei keine Rolle, ob sie Kriegsgefangene sind oder aus anderem Grund verhaftet wurden. Aus Sicherheitsgründen kann ich Euch, einem Zivilisten, keinen Zutritt zu den Verliesen gestatten. Ihr habt Euch früher schließlich auch nie dafür interessiert …«
»Da war ja auch nie jemand unten!«
»Und das wisst Ihr so genau?«
»Ich … ich bin der engste Vertraute der Àrdbéana, selbstverständlich weiß ich das!«, stotterte Pirmin, der seinen Zorn kaum noch unter Kontrolle halten konnte. »Diese Verliese sind ein Relikt aus alter Zeit. Unsere ehrenwerte Herrscherin hat sie nie genutzt – und das war auch nicht notwendig!«
Tiarnan grinste nun deutlich erkennbar – spöttisch und herablassend. »Selbstverständlich nicht, Pirmin, seid nicht so empfindlich! Ich habe Euch nur hochgenommen.«
»Seit wann habt Ihr Euren Humor entdeckt?« Der Oberste Haushofmeister schüttelte den Kopf. »Ihr lasst mich jetzt auf der Stelle passieren, oder …«
»Ja? Was?«, unterbrach der Hauptmann. »Macht Euch nicht lächerlich. Dieses Spiel um die Macht könnt Ihr nicht gewinnen. Ich habe jetzt das Sagen. Die gesamte Garde, jeder einzelne Soldat steht hinter mir.«
»Noch«, Pirmin schluckte schwer, » noch hat die Àrdbéana das Sagen, sie ist die höchste Instanz, höher noch als der Hochkönig der Elben, der auch Euer König ist. Was maßt Ihr Euch an?«
»Die Àrdbéana ist unpässlich«, sagte Tiarnan gelassen. »Es ist meine Pflicht, sie zu schützen, noch dazu, da sie von meinem Volk ist. Ich hege ein äußerst persönliches Interesse daran, dass ihr nichts zustößt, und deshalb treffe auch ich die ausschließliche Entscheidung über alles, was mit dem Schutz des Palastes und Sìthbailes zusammenhängt. So sind die Regeln!«
Pirmin fühlte sich alt, faltig und hässlich neben diesem Wesen, das selbst in seiner Dunkelheit schön war, von einer leuchtenden Aura umgeben. Tiarnan war Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende alt, wie sollte er dagegen bestehen? Wie sollte er sich gegen Elbenregeln stemmen, wo seine Herrin doch selbst zu den Unsterblichen gehörte?
Menschen und Elben mochten in Frieden leben, aber wohl kaum in wahrer Eintracht. Die Kluft zwischen beiden Völkern war so tief wie nur je. Nichts hatte sich geändert. Sie sahen sich gewissermaßen ähnlich, doch sie waren zu verschieden.
»Ich werde es der Àrdbéana mitteilen«, sagte er leise, mit einer unterschwelligen Drohung.
Darüber konnte der Elb wiederum nur lächeln. »Ich habe nie verstanden, weshalb die Àrdbéana fortgesetzt ausgerechnet einen Menschen mit dieser bedeutenden Aufgabe betraut. Doch besitze ich auch nicht ihre tiefgründige Weisheit und Voraussicht, deshalb übe ich hieran keine Kritik. Nun denn, redet mit Ihr, und sie wird Euch über die Gesetze aufklären und Euch mitteilen, dass ich im Recht bin. Und sie wird Euch sagen, dass sie mir in diesen Belangen voll und ganz vertraut, so wie sie Euch in allen anderen Belangen voll und ganz vertraut.«
Pirmin sagte nichts, doch er wich keinen Fußbreit. Allerdings sanken seine Schultern leicht nach unten, ein Ausdruck seiner Erkenntnis, dass er nicht weiterkommen würde. Er konnte den Zutritt nicht erzwingen, zumindest nicht jetzt.
Tiarnan, dem die Änderung von Pirmins Haltung nicht entging, entspannte seine Haltung etwas. »Nehmt doch Vernunft an, Pirmin. Ihr seid kein Kriegsherr, nicht einmal ein Soldat. Ihr könnt hervorragend den Hof verwalten, Ihr habt über alles den Überblick und sogar die Hofschranzen im Griff. Ihr kennt Euch aus mit den Steuern, und Ihr sorgt dafür, dass niemand Not leiden muss. Glaubt nicht, dass ich Euch in Eurer Eigenschaft als Oberster Haushofmeister nicht achte. Und ich bin trotz meines Unverständnisses sicher, dass die Àrdbéana weise handelt. Aber Ihr versteht nicht das Geringste von militärischen Angelegenheiten. Ihr habt Befehlsgewalt ausschließlich über Euren Arbeitsbereich, und ich ausschließlich über den meinen . Beide haben wir unsere Grenzen bisher nicht überschritten und werden das auch jetzt nicht tun. Haben wir uns verstanden?«
Der Oberste Haushofmeister verspürte den Wunsch, das Schwert aus dem Gürtel des Elben zu ziehen und ihm mit der Breitseite der mächtigen Waffe eine Lektion ins Fell zu bläuen. Aber leider hatte Tiarnan recht – er hatte von diesen Dingen nicht die geringste Ahnung. Wahrscheinlich könnte er das Langschwert mangels Körperkraft nicht einmal aus dem Gürtel ziehen, geschweige
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