Der Fluch der Halblinge
deine Schuld einzugestehen. Und weißte was? Ich verabscheue Lügner.«
Fionn stieß ein kurzes Quieken aus, das klang wie eine Maus, wenn die Katzenpfote sie trifft. Blaufrost näherte seinen riesigen Schädel dem kleinen Bogin, der sich in seinen Fesseln nicht regen konnte. Ein übler Gestank nach faulen Eiern schlug Fionn entgegen, und er hätte sich beinahe übergeben, konnte aber gerade noch hinunterschlucken, was dann noch mehr Übelkeit verursachte. Der Troll hatte seinen Mund geöffnet und sprach nun so leise, wie er nur konnte, aber nicht weniger drohend.
»Weißte, was ich mit dir mache, wenn du weiter so ’n dreckiger kleiner Lügner bist? Ich werd dich nehmen und erst in die Länge ziehn, und dann werd ich dich zusammenquetschen, und anschließend werd ich dir jeden Arm und jedes Bein ausreißen, wie du’s früher als Hosenscheißer bei den Fliegen gemacht hast, und dann werd ich dich ausweiden, und erst ganz zuletzt kommt dein Kopf anne Reihe. Deine Augen darfste bis zum Schluss behalten, damitste ja nix versäumst.«
Fionn glaubte jedes einzelne Wort. Seine Todesangst ließ es nicht zu, dass er sich äußerte, aber er hätte auch gar nicht gewusst, was er hätte sagen sollen. Bitte, lieber Herr Troll, tu das nicht?
Er schlotterte nun ganz genauso wie der Troll.
»Vielleicht«, fuhr der Troll namens Blaufrost fort, »fang ich auch erst mit den ganz kleinen Sachen an. Glaub nich’, dass ich das nich’ kann. Ich seh grob aus, nich? Kann aber Feinarbeit leisten, echt wahr. So ’n Ohr abreißen zum Beispiel. Nägel ziehen. Nase abbeißen. ’n Stückchen von der Zunge abschneiden – ich mag frische Zunge, lecker is’ die, die ess ich immer gleich. Und dann wärn da noch deine Nippel, da krieg ich ja gleich Hunger …«
Mehr bekam Fionn nicht mehr mit, weil er in Ohnmacht fiel.
Als er wieder zu sich kam, war er in seiner Zelle. Doch Fionn wünschte sich, er wäre nie wieder zu sich gekommen, denn er hatte begriffen, dass ihm nun das Schlimmste erst bevorstand. Alles andere war nur das Vorgeplänkel gewesen. Sie würden sich Zeit mit ihm lassen, sehr viel Zeit. Und dann würde Vàkur zur Abwechslung das Verhör fortsetzen und Fionns Seele sezieren, zerschneiden, zerstückeln. Sie würden ihm unaussprechliche Dinge antun, das wusste er jetzt.
Und da wurde es ihm klar, stand ihm deutlich vor Augen.
Ja, das war es.
Er dachte gar nicht mehr viel darüber nach, denn es war wie eine Erleuchtung gewesen, die seinen Geist wie ein Blitz in der Nacht erhellte. So weit hatte es kommen müssen, dass er es endlich begriff.
Er entspannte sich.
Zum ersten Mal seit seiner Entführung schlief Fionn tief und ohne Angst, nicht einmal mehr die Kälte konnte ihm etwas anhaben.
Fionn wehrte sich nicht, wie sonst so oft, als sie ihn abholen kamen, er blieb ruhig und gelassen, ließ sich einfach wie eine Puppe in der Kinderhand mitschleifen. Die Treppe musste inzwischen schon ganz ausgetreten sein bei dem vielen Hin und Her, fiel ihm unterwegs ein, und beinahe hätte er gelacht. Nun, da er an diesem Punkt angekommen war, fand er viele Dinge sehr komisch.
Die Fesseln wurden angelegt und die Augenbinde wurde abgenommen; alles alltägliche Routine. Fionn sah seine Erwartung bestätigt, dass er heute wieder Vàkur gegenübersitzen würde.
»Wie geht es dir?«, fragte der Mann.
»Gut, danke«, antwortete Fionn. »Ich habe mich noch nicht für die Waschprozedur bedankt, ich fühle mich seither viel besser. Beschmutzt, aber gereinigt.«
»Das lag in unserer Absicht.« Vàkur beugte sich vor, und zum ersten Mal konnte Fionn seine dunklen Augen erkennen. Wachsamkeit und Intelligenz sah er darin, und jetzt eine besondere Aufmerksamkeit noch dazu. »Haben wir also endlich Erfolg gehabt?« Ein gewisses Misstrauen schwang in der sonst farblosen Stimme mit. So ganz schien er nicht überzeugt, vielleicht irritierte ihn Fionns ruhiges Verhalten.
»Alles ist zu Ende …«, sagte Fionn und sah seinem Peiniger furchtlos in die Augen. »Ab hier geht es nicht mehr weiter.«
»Was hat das zu bedeuten?«
»Ich habe nichts mehr zu sagen. Gar nichts. Ich werde weder weiterhin meine Unschuld beteuern noch euch liefern, was ihr haben wollt. Ich bin am Ende angelangt.«
»Das ist deine volle Überzeugung?«
»Ja.«
»Du beharrst darauf, nicht nachzugeben?«
»Ja.«
»Und du wärst sogar bereit, dafür zu sterben?«
»Ja.«
Fionn antwortete ohne zu zögern. Darauf war es doch von Anfang an hinausgelaufen.
Vàkur wirkte für
Weitere Kostenlose Bücher