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Der Fluch der Halblinge

Der Fluch der Halblinge

Titel: Der Fluch der Halblinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prisca Burrows
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eine Tür. Er befand sich wohl ein Stockwerk höher. Sie setzten ihn auf einen Stuhl, banden ihn daran fest, schlugen die Kapuze zurück und nahmen die Augenbinde ab.
    Fionn blinzelte. Es gab ein Fenster in diesem Raum, das mit Brettern zugenagelt worden war, doch ein wenig Tageslicht drang durch zwei, drei schmale Schlitze als einzige Lichtquelle herein. Der Raum selbst war sehr klein, vielleicht halb so groß wie seine Zelle, und er verfügte über einen Holzboden. Eine Wohltat für seine geschundenen Füße, fast wie ein warmes Bad. Auch das Sitzen auf dem Stuhl war trotz der Fesseln angenehm, und der Umhang wärmte ihn auf. Es gab nur den Stuhl und einen grob gezimmerten Tisch, vor dem der Stuhl stand, und dahinter gab es noch einen Stuhl, auf dem jemand saß. Fionn konnte ihn erst so nach und nach erkennen, je mehr seine Augen sich an die Lichtverhältnisse gewöhnten.
    »Es ist Tag …«, sagte er leise. »Wie viel Zeit ist vergangen? Ist es noch derselbe Tag, oder schon der nächste?«
    »Hm. Nehmen wir an, ein Tag ist vergangen, wenn das eine Rolle für dich spielt.« Die Männerstimme klang nicht einmal unangenehm; nüchtern und sachlich, emotionslos, aber keineswegs so metallisch und schrill wie die des Verhüllten.
    Der Mann trug normale bürgerliche Kleidung, Hemd, Weste, Hose, keinen Umhang, keine Kapuze, keine Waffe. Er war ein Mensch. Seine Statur war hochgewachsen, aber eher hager, die Wangenknochen in dem schmalen Gesicht ausgeprägt, sein dünnes dunkles Haar fiel ihm glatt bis fast auf die Schultern. Hervorstechend war seine kräftige, scharfkantige Nase, und dazu die Bögen seiner dunklen Augenbrauen, die ihm Raubvogelartiges verliehen. Prompt stellte er sich auch so vor.
    »Ich bin Vàkur, der Falke.«
    »Ich bin Fionn Hellhaar.« Es gab keinen Grund, jetzt seinen wahren Namen zu verheimlichen, nachdem er ihn sowieso schon offenbart hatte. Außerdem, wie viele Bogins gab es, die so aussahen wie er? Sie wussten doch, wer er war.
    »Du weißt, warum du hier bist?«
    »Nein. Ich sehe mich als Opfer einer Entführung, deren Hintergrund ich nicht verstehe.«
    Vàkur stützte die Ellbogen auf und legte sein Kinn auf die Fingerspitzen. Er verzog keine Miene, sah so aus, als würde ihn diese Situation eher langweilen als interessieren. »Ich bin davon ausgegangen, dass man dir klar gemacht hat, wessen du beschuldigt wirst.«
    »Das hat man«, antwortete Fionn. »Aber ich bin unschuldig.«
    »Weshalb bist du dann verhaftet worden?«
    »Weil es ein Irrtum ist. Weil alle Bogins verhaftet und für schuldig befunden werden … Ich weiß nicht, warum. Ich habe Magister Brychan nicht ermordet.«
    »Erzähle mir den genauen Hergang, damit ich mir selbst ein Bild machen kann.«
    »Nein.« Darüber hatte Fionn lange nachgedacht, denn es war nicht schwer vorauszusehen, dass diese Frage gestellt würde. Er hielt daran fest: Er würde ihnen gar nichts erzählen, nicht einen Brocken hinwerfen, nach dem sie schnappen konnten. Sonst würde das immer breitere Kreise ziehen, und nicht nur Tiw, sondern auch seine Eltern, wenn nicht sogar seinen Herrn, in Gefahr bringen.
    Nun hob sich doch sacht eine Braue, was gerade noch so im Halbschatten zu erkennen war. Das Fenster befand sich im Rücken von Vàkur, sodass es Fionn leider nicht möglich war, seine Augen zu sehen. »Wie willst du mir dann deine Unschuld beweisen?«
    »Das brauche ich nicht.« Fionns Stimme war ruhig, er hatte in seinen Wachphasen wieder und wieder leise geübt. Er hatte Angst und wurde von den Fesseln gezwungen, stillzuhalten, doch er hatte sich in der Gewalt. Seine Worte waren sorgfältig gewählt und auswendig gelernt. »Ich verlange ein ordentliches Gericht. In Sìthbaile, im Palast des Friedens.«
    »Du hast keine Rechte, Bogin, auf die du dich berufen kannst.«
    »Doch, ein einziges: das Oberste Gesetz. Solange die Àrdbéana lebt, ist es gültig. Darüber kann sich niemand hinwegsetzen, egal welcher Grund vorgeschoben wird.«
    »Und dennoch kam es zum Haftbefehl gegen euch alle.«
    »Ja, weil die Schwäche der Àrdbéana ausgenutzt wird. Ich weiß nicht, von wem und warum, aber so ist es. Jemand will uns Bogins erheblichen Schaden zufügen und hat die Gunst der Stunde genutzt, uns in Verruf zu bringen, als der Mord an Magister Brychan geschah.«
    »Du bist raffiniert, junger Halbling«, stellte Vàkur fest. »Doch das wird dir nichts helfen. Ich werde die Wahrheit ans Licht bringen, und du wirst mir alles erzählen, was du bisher verschweigst.

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