Der Fluch der Halblinge
Umhang und Mütze oder Kapuze wie sie, fielen sie nicht weiter auf, und Tuagh schien keinerlei Sorge zu tragen, dass sie von den Palasttruppen aufgebracht werden könnten.
Auf dem schnellsten Weg, durch winzige Gassen, steuerte der Wanderkrieger das Nordtor an.
Fionn ergriff die Gelegenheit, dass sie nur zu zweit unterwegs waren, um etwas loszuwerden, was ihm gestern aufgefallen war. Weil er Cady schmerzlich vermisste und nicht in der Lage war, ihr eine Nachricht zukommen zu lassen, war er empfänglich für Strömungen und Schwingungen, die mit Zuneigung zu tun hatten, und wahrscheinlich hatte Morcants Romantik ihn angesteckt. Ihm ging der Blick nicht aus dem Sinn, mit dem Màr Tuagh bedacht hatte, als sie ihre Teilnahme an der Reise erklärte. Das konnte von Vorteil sein, aber auch zu Komplikationen führen. Vor allem sollte es nicht auf Dauer verschwiegen werden.
Es könnte natürlich sein, dass Tuagh wütend wurde, so gut kannte er ihn nun auch wieder nicht. Doch wenn Fionn etwas auf dem Herzen lag, musste er es auch loswerden.
Also gab er sich einen Ruck.
»Sie mag dich.«
»Wer?«
»Tu nicht so, selbst ein Holzklotz wie du muss das bemerken.«
»Das ist bedeutungslos. Für mich gibt es keine Liebe.«
Er wusste es also. Und schmetterte es einfach ab.
»Das kann nicht dein Ernst sein!«, stieß Fionn ungläubig hervor. »Ich weiß, du hast einen tragischen Verlust erlitten, aber das kann doch nicht das Ende sein, Tuagh! Es ist vor Jahrzehnten geschehen. Das Leben geht weiter. Es muss weitergehen, aber nicht nur, indem du der Fiandur beitrittst und nach dem Heldentod auf dem Feld suchst. Da bist auch noch du selbst. Du musst doch Wünsche und Sehnsüchte haben. Es gibt immer jemanden, den man lieben kann, und der das auch verdient hat.« Fionn dachte dabei an seine Mutter, die ihre Trauer auch überwunden und stets einen glücklichen Eindruck auf ihn gemacht hatte.
»Für mich gilt das aber nicht.« Tuagh sprach völlig ungerührt, als ginge ihn das alles nichts an.
Das brachte Fionn erst recht auf. »Hast du denn überhaupt kein Herz?«
»Um das festzustellen, müsste ich es erst mal finden.«
»Ja, das glaube ich auch.«
Fionn war so wütend, dass er kein weiteres Wort mehr herausbrachte. Tuagh glaubte also, sein Herz zusammen mit seiner Familie verloren zu haben. Waren sie nun gestorben oder nur verschwunden, wie sein Bruder? Aber warum sollten sie unauffindbar sein?
Erst nach einer Weile war er wieder soweit, dass er fortfahren konnte. »Warum versperrst du dich nur dem Leben, Tuagh? Ich verstehe es einfach nicht.«
»Was kümmert dich das, Bogin?«, fragte der Wanderkrieger zurück.
»Hör auf, so mit mir umzugehen! Ich bin dein Freund, verdammt noch mal!« Schade, dass sie schon unterwegs waren. Fionn hätte jetzt gern in Dagrims Schrank gegriffen und alles Geschirr darin zerschlagen. Er war zwar noch nie auf einer Reise wie dieser gewesen, aber er wusste, dass man bei einem solchen Vorhaben Vertrauen zueinander haben musste. »Ich bin dein Freund, obwohl du mich belogen hast! Aber wir haben auf unserer kurzen Reise eine Menge gemeinsam erlebt. Ich war und bin auf dich angewiesen, und … es ist eben so. Ich achte dich, und schätze dich sehr. Du und Tiw habt mir erklärt, warum du mich nicht gleich aufklären konntest, und das akzeptiere ich. Aber … ist das denn alles? Warum gehst du jetzt mit mir weiter, wenn ich nichts für dich bin als … ja, was eigentlich?«
Tuagh blieb stehen, ließ den Blick schweifen, als läge die Antwort irgendwo zwischen den Häusern. Dann stieß er seufzend den Atem aus und wandte sich dem jungen Bogin zu.
»Ich kann es einfach nicht mehr«, sagte er ruhig. »Seit dem Verlust meiner Familie ist alles in mir abgestorben und tot. Ich bin nicht mehr in der Lage zu lieben. Sieh es ein, so etwas kommt vor. Nicht jeder ist so stark wie deine Mutter – ich offenbar nicht.«
Fionn blieb hartnäckig und geriet erst recht in Fahrt. »Vielleicht, weil du die Richtige noch nicht gefunden hast? Und außerdem, wer spricht denn von Liebe. Harmonie genügt doch auch! Ich meine, wenn man sich versteht …«
Tuagh runzelte die Stirn. »Ich bin Krieger, mein ganzes Leben lang. Ich kann nicht auf einmal als Bauer auf dem Land leben, oder als Handwerker in der Stadt, mit einer treusorgenden Frau an meiner Seite, und still vor mich hinexistieren. Ich werde alt, ja, aber ich bleibe bei dem, was ich bin und kann.«
»Na und? Màr ist ebenfalls Kriegerin, sie kennt dein
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