Der Fluch der Halblinge
einzige Beruhigung war, dass sein Pony mit Hilfe einer langen Führleine an Morcants Pferd befestigt war, wie ein Lasttier. Wahrscheinlich wäre es sonst schon längst auf und davon mit ihm; in den nächsten Graben hinein, und sie hätten sich beide das Genick gebrochen. Ende der Reise.
»Also nur zwei Dinge?«, fragte Fionn den Elbensänger, der vergnügt pfeifend auf dem Pferd vor ihm im Sattel saß; völlig entspannt, eine Hand in die Hüfte gestemmt, die andere hielt locker die Zügel.
»Aye.«
»Und … äh … was sind das für zwei Dinge, vor denen ein Pferd scheut, und nur vor diesen?«
Morcant drehte sich zu ihm um, seine meerblauen Augen sprühten vor Heiterkeit. »Bewegte Dinge.«
»Ah.«
»… und unbewegte Dinge.«
»Ah!«
Das Pony drehte den Kopf zu ihm nach hinten und musterte ihn aus einem dunklen Auge.
»Ich t-tu dir nichts«, stammelte Fionn. »Dann tust du mir auch nichts, nicht wahr?«
Das Pony schüttelte den Kopf, dass die dicke lange Mähne flog, schnaubte und prustete; es schien sich köstlich zu amüsieren. Als es dann lostrabte, klammerte Fionn sich mit Müh und Not an den Sattel. Was für ein Geschaukel – und er wurde so sehr durchgeschüttelt, dass er sich nicht gewundert hätte, wenn ihm der Magen auf einmal durch den Mund davongesprungen wäre. Wie konnten andere das nur aushalten oder gar bequem finden? Schon jetzt tat ihm alles weh!
»Haltung!«, mahnte Morcant, sobald das Pony zu ihm aufgeschlossen hatte und dann in einen schnellen Zackelschritt verfiel, um auf gleicher Höhe zu bleiben. »Du lässt dich ja wie ein Kartoffelsack herumbeuteln, wie sieht das denn aus!«
»Ich … ich weiß doch gar nicht, wie, ich hab doch noch nie … ich … ich …« Fionn hätte sich am liebsten fallen gelassen und wäre nebenher gelaufen; alles wäre besser gewesen als das.
»Es gibt keinen Grund zur Angst«, sagte Morcant beruhigend. Tuagh und die anderen sahen sich kein einziges Mal nach ihnen um, sondern steuerten schnurstracks auf das offene, unbewachte Nordtor zu.
»T-tut mir leid, meinetwegen bist du jetzt …«
»Beruhige dich! Das macht ja jeden Dachs nervös. Versuch zunächst mal, dich zu entspannen. Du musst jetzt nicht lenken oder irgendetwas anderes tun. Das Pony ist bei mir angebunden und kann nicht weg. Außerdem kennt es das. Sein Name lautet übrigens Allsvartur. Das bedeutet kohlpechrabenschwarz.«
Der Name passte. Das Pony war wirklich so glänzendschwarz wie Obsidian. Eigentlich ein hübsches Tier, und es wirkte trotz seiner feurigen Augen freundlich.
»Beobachte, was ich mache, und hör mir zu«, fuhr der Meersänger fort, und der junge Bogin gehorchte.
So kamen sie, einem Wunder gleich, heil durch das Tor, und Fionn wagte es, aufzuatmen.
Bis Tuagh den Befehl zum Galopp gab.
KAPITEL 12
DER WEG NACH CLAHADUS
Und so ließen sie Uskafeld hinter sich und zogen dem Unbekannten entgegen. Nicht einmal die Elben wussten, was sie in Clahadus erwartete, denn sie mieden das verfluchte Gebiet wie alle anderen. Es gab keinen Grund, freiwillig dorthin zu reisen. Wie bedeutend also musste ein Buch sein, das jemand, der vielleicht nicht recht bei Verstand gewesen war, dort versteckt hatte. Tuagh zählte laut auf, wie viele leichter erreichbare Orte als gutes Versteck in Frage gekommen wären. Was mochte an Clahadus so Besonderes sein, dass ein Artefakt dort sicherer sein sollte als in der Hand eines vertrauenswürdigen Hüters?
»Du hörst dich schon an wie Ingbar der Zweifler«, spottete Morcant.
»Ich weiß nicht, warum es immer so geheimnisvoll sein muss«, schnaubte der Wanderkrieger.
»Hmmm … damit der Feind nicht dahinterkommt?« Der Meersänger zwinkerte. »Gerade an einem Ort wie Clahadus, den jeder meidet, ist ein Geheimnis gut verwahrt.«
Fionn beobachtete nachdenklich den hünenhaften Mann, der sich noch zu Pferde wie ein Berg neben dem filigran wirkenden Elb ausmachte. So kannte er Tuagh gar nicht. Gewiss, sonderlich viel Zeit hatten sie noch nicht miteinander verbracht, um alles voneinander zu wissen, aber er wunderte sich doch, dass ausgerechnet Tuagh diese Herausforderung scheute. Vielleicht war er der ewigen Suche müde geworden und befürchtete, wiederum Zeit auf einem Irrweg zu verschwenden.
»Woher wollen wir wissen, wie schrecklich Clahadus ist, wenn keiner von uns je dort gewesen ist?«, fragte der junge Bogin dazwischen. »Es sind doch immer nur Gerüchte, die darüber in Umlauf sind, oder nicht?«
Tuaghs bernsteinfarbene Augen musterten
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