Der Fluch der Hebamme
Bayern und Schwaben.
Am Ostersonntag goss es dermaßen in Strömen, dass beschlossen wurde, an diesem Tag niemanden über die Meerenge zu schicken, sondern die Zeit lieber für Gebete zu nutzen.
Thomas und Roland war es nur recht, noch einen Tag Aufschub zu bekommen, bevor sie sich und ihre Pferde den schwankenden Schiffen
auslieferten.
Am Montag und Dienstag schließlich setzten die restlichen Wallfahrer über – als Letzter der Kaiser mit einem Ehrengeleit von fünf Kriegsschiffen. Zu denen, die gemeinsam mit Friedrich von Staufen die Küste verließen, gehörte auch der Graf von Weißenfels mit seinen Männern.
Sie hatten kaum abgelegt, als unzählige Menschen zum Ufer rannten und angesichts der davonsegelnden Schiffe in Jubel ausbrachen – wohl kaum als Ehrenbezeugung für den römischen Kaiser, sondern aus Erleichterung darüber, dass dessen Heer nun endlich das Land verlassen hatte.
»Wisst ihr beiden Jungsporne, dass vorgestern ein paar Gesandte aus Pisa zum Kaiser kamen und ihm sehr nachdrücklich Kriegsschiffe angeboten haben, damit er doch noch Konstantinopel belagert?«, berichtete Wiprecht, der zu Thomas und Roland getreten war. »Wenn ich mir die Meute da am Ufer anschaue, wünschte ich mir, er würde es tun …«
Thomas konnte nicht antworten, sein Magen schien sich umzustülpen. Eigentlich hatte er im Frachtraum bleiben wollen, um seine Pferde zu beruhigen, aber da hatte er es nicht ausgehalten vor Übelkeit und gerade noch Rupert damit beauftragt, bevor er nach oben an die frische Luft stürzte. Er wollte nicht vor aller Augen sein Essen wieder herauswürgen, schon gar nicht vor seinem Knappen.
Zum ersten Mal seit neununddreißig Wochen – seit sie die Grenze nach Byzanz überschritten hatten – legten die Ritter Gambeson und Kettenhemd ab, um nicht von deren Gewicht unter Wasser gezogen zu werden, sollte das Schiff kentern.
Doch die gesamte Flotte erreichte wohlbehalten das Ufer.
Binnen sechs Tagen und ohne einen einzigen Verlust war das riesige Heer Friedrichs von Staufen über den Hellespont befördert worden.
Thomas hatte es sogar geschafft, sein Essen bei sich zu behalten – wenn auch nur mit Mühe.
»Jetzt sind wir in Asien, Kleiner! Hättest du dir das jemals erträumt?«, fragte Rupert, dem die Überfahrt nicht das Geringste ausgemacht zu haben schien, mit leuchtenden Augen. Er hieb Gerwin zwischen die Schulterblätter, dem gegenüber er so etwas wie Beschützergefühle entwickelt hatte – vielleicht auch aus schlechtem Gewissen wegen der vielen üblen Streiche auf Kosten Philipps.
Der Jüngere sah sich neugierig um, aber außer Sandstrand und ein paar windzerzausten Gewächsen war nichts zu sehen. »Asien? Hier ist jetzt also alles anders, ja?«
»Nicht ganz«, berichtigte ihn Roland. »Das hier gehört immer noch zu Byzanz. Und vergiss nicht: Dies ist der Teil von Byzanz, der noch heftiger angegriffen wird als die Gebiete, die wir schon durchquert haben. Nur werden wir es hier bald mit kriegerischen Seldschuken und nicht nur mit ein paar Strauchdieben zu tun bekommen. Also wird ab sofort wieder in voller Rüstung marschiert!«
»Trotzdem – wir sind in Asien«, widersprach Thomas, der sich irgendwie verpflichtet fühlte, den Jungen aufzumuntern. »Jetzt haben wir Europa und den größten Teil des Marschweges hinter uns gelassen. Das ist schon eine große Sache!«
Mit einem Mal stand Dietrich von Weißenfels vor ihnen und lächelte dem staunenden Knappen zu. »Das heißt, Jerusalem ist nicht mehr weit. So Gott will, könnten wir in zwei, drei Monaten in Antiochia sein – im Heiligen Land!«
März 1190 in Freiberg
E lmar sollte recht behalten: Die glanzvolle Zeremonie, mit der der König vor den versammelten Fürsten des Reiches Albrecht die Mark Meißen als Fahnenlehen zusprach, gab seinem Schützling die alte Siegessicherheit zurück. In der Runde vornehmlich junger Edler, die König Heinrich um sich scharte, wurde er nicht vorwurfsvoll beäugt, sondern von einigen sogar vorbehaltlos für den Mut bewundert, mit dem er sich gegen seinen uneinsichtigen Vater gestellt hatte.
Für die Zeit des Hoftages hatte ihm Giselbert außerdem eine der schönsten und teuersten Frankfurter Huren zugeführt, und diese war ihr Geld wirklich wert. Mit ausgefallenen Liebesspielen sorgte sie nicht nur dafür, dass sich Albrecht in seiner männlichen Eitelkeit bestärkt fühlte. Sie trieb ihn zu solcher Erschöpfung, dass er nachts schlief, ohne auch nur an Dämonen und das
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