Der Fluch der Hebamme
gezwungen, die Stadt anzugreifen.
Doch wenn diese Stadt von starken Mauern geschützt war – wie lange konnte ein dermaßen entkräftetes und halb verdurstetes Heer eine Belagerung aufrechterhalten?
Ein Alarmsignal riss Thomas aus den Gedanken: das Zeichen zum Sammeln für die Panzerreiterei.
Verwirrt wischte er sich das Blut aus dem Mundwinkel und sah sich um. Die Reiterei war fast vernichtet, und der größte Teil des Heeres befand sich immer noch in den Bergen!
Doch diejenigen unter den Rittern und Sergenten, die noch Pferde hatten, saßen bereits auf. Ein paar Männer schwenkten farbige Lanzenwimpel als Signal, sich zum Kampf zu formieren. Dietrich von Weißenfels sammelte seine Männer und ritt an, nachdem er sich vergewissert hatte, dass Thomas sich ebenfalls in den Sattel schwang. Noch keiner von ihnen hatte die Waffen abgelegt.
So schnell es in dem Gedränge ging, lenkten sie ihre Pferde nach links, zum Banner des Herzogs von Meran. Rechter Hand stellten sich die Reiter unter dem Kommando des Herzogs von Schwaben auf.
Nun sah Thomas den Gegner. Diesmal war es keine kleine Einheit leicht gerüsteter Bogenschützen, die nur rasch vorstießen und wieder verschwanden. Jetzt stand ihnen eine Streitmacht von etlichen tausend Männern gegenüber, die offenbar nur gewartet hatte, bis die vorderste Heeresabteilung eintraf, um sofort anzugreifen.
Dies war eindeutig keine Räuberbande.
Die Männer in den vordersten Reihen trugen prachtvoll verzierte Rundschilde, glänzende Helme, mit Mustern versehene Lederpanzer und gekrümmte Schwerter, manche sogar golddurchwirkte Kleidung.
Wir sind verraten worden!, dachte Thomas. Der Sultan hat sein Wort gebrochen und uns ein Heer entgegengeschickt! Und sein nächster Gedanke: Es gibt kein Wasser, wenn wir uns nicht hier durchschlagen.
Sie waren zu Tode erschöpft, sollten aus dem Marsch heraus sofort in die Schlacht und hatten kaum noch sechshundert Pferde, während ihnen Tausende Reiter gegenüberstanden.
Doch die Feinde mussten gegen die untergehende Sonne und den Wind reiten, der scharfkörnigen Sand durch die Luft wirbelte – und würden nun zum ersten Mal die Schlagkraft einer geordneten abendländischen Panzerreiterei auf ebenem Feld zu spüren bekommen.
Dieser Gedanke erfüllte Thomas mit solch grimmiger Genugtuung, dass für Furcht in ihm kein Platz mehr war.
Dies würde seine erste und vielleicht auch letzte Schlacht sein. Links von ihm ritt Dietrich von Weißenfels, rechts Wiprecht von Starkau, und da das Gelingen ihres Angriffs einzig davon abhing, dass jeder furchtlos seinen Platz in der Formation beibehielt, konnte er sich keine besseren Gefährten an seiner Seite wünschen als den erfahrenen Lanzenführer und den Mann, den sein Vater zu einem herausragenden Kämpfer ausgebildet hatte.
»Rückt zusammen! In enger Linie bleiben!«, befahl der Herzog von Schwaben.
Die Seldschuken schleuderten aus sicherem Abstand Lanzen und Wurfspieße, ohne damit Schaden anzurichten. Ein paar von ihnen galoppierten vor, hoben drohend ihre Bögen und riefen lautstarke Beschimpfungen. Dann ritten sie noch näher heran und forderten die Gegner mit eindeutigen Gesten auf, sich zu ihnen zu wagen.
Thomas erkannte, dass es mehrere Männer in der Reihe drängte, dieser Aufforderung zu folgen und loszupreschen. Durst, Müdigkeit, alle Qualen schienen vergessen.
»In Linie bleiben!«, rief Dietrich von Weißenfels streng. »Humfried, haltet Euch zurück!«
Dem heißblütigen Auenweiler war anzusehen, wie schwer es ihm fiel, diesem Befehl zu folgen. Doch er beugte sich der Autorität Dietrichs – und der Vernunft.
Endlich konnte das Heer seine Stärke ausspielen: die einer in Eisen gerüsteten Panzerreiterei, die in Formation angriff und ihre Formation auch hielt.
Dass sich niemand dazu anstacheln ließ, die Reihe zu verlassen, und die Pfeile an den Schilden abprallten, sorgte für Unzufriedenheit und eine Spur Ratlosigkeit im feindlichen Lager.
Dies war der Moment, in dem Friedrich von Schwaben den Angriff befahl.
Thomas zog sein Schwert und spürte, wie mit einem Mal neue Kraft durch seinen Körper jagte, auch wenn er nicht wusste, woher sie noch kam.
Halte durch, raunte er Radomir zu. Diese Kerle da stehen zwischen uns und der Stadt mit dem Wasser! Wenn Gott uns beisteht,
wenn wir sie besiegen, bekommst du das klarste, frischeste Wasser, das du je getrunken hast, und saftiges Gras!
Er merkte gar nicht, dass er schrie wie wild, als sie auf die feindlichen
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