Der Fluch der Hebamme
Vorstellung musste Thomas nun doch lachen und gab dem Freund recht.
»Weißt du, wann mein Vater zum ersten Mal getötet hat?«, fragte er in der Hoffnung, Roland könnte das einmal von Raimund erfahren haben.
»Ich weiß, wann und warum dein Stiefvater zum ersten Mal getötet hat«, sagte der Freund zu Thomas’ Überraschung. »Da war er selbst noch Knappe. Und es ging gegen solches Gesindel wie das hier, das über deine Mutter herfallen wollte.«
Sofort fühlte sich Thomas besser, und seine Achtung vor Lukas wuchs in ungeahnte Höhen. Noch ein Grund, ihm dankbar zu sein und keine Schande zu bereiten. Sein Stiefvater würde sich bestimmt nicht in solchen Grübeleien verlieren.
Nachdem Thomas gebeichtet und Absolution erhalten hatte, sorgte er dafür, dass sein Knappe auf einen Karren gehievt wurde. Der wollte zwar unbedingt weiterreiten, bekam aber eine klare Abfuhr von seinem Ritter.
»Ich lass mich nicht von den Männern dafür auslachen, dass mein Knappe vom Pferd fällt«, raunzte Thomas ihn an. »Stell dir einmal in allen Einzelheiten vor, wie du mit dieser Wunde in den Sattel steigst, und gib zu, dass das ein sehr dummer Gedanke wäre.«
Er konnte geradezu sehen, was hinter Ruperts Stirn vor sich ging, und dass der Bursche letzten Endes ziemlich froh darüber war, jetzt
nicht
in den Sattel zu müssen.
»Ja, Herr«, gestand der schließlich ein.
Thomas vergewisserte sich, dass Rolands Knappe damit zurechtkam, ihr Zelt allein abzubrechen und alles zu verstauen. Philipp war eifrig bei der Sache, doch Roland machte sich ebenfalls Sorgen um den ihm zugewiesenen Burschen – nur andere, als Thomas um Rupert.
»Den hätten sie nie auf diese Reise schicken dürfen«, hatte er dem Freund unter vier Augen gestanden. »Er ist zu schwach dafür, er wird diese Hustenanfälle einfach nicht los, nicht einmal bei dem warmen Wetter. Und
das
kann ich ihm auch mit härteren Waffenübungen nicht austreiben wie du deinem Prahlhans seinen Hochmut. Offenbar haben wir die beiden Burschen abbekommen, die sonst keiner haben wollte. Du das Großmaul und ich den Kümmerling. Wobei« – nun konnte sich Roland ein Grinsen nicht verkneifen – »es mir wie ausgleichende Gerechtigkeit vorkommt, dass ausgerechnet du dich mit einem aufsässigen Knappen herumärgern musst. Das werde ich Hartmut erzählen, wenn wir nach Meißen zurückkehren, und er wird mich ganz gewiss zu einem großen Krug Wein einladen, um mehr darüber zu hören!«
»Wir werden nicht nach Meißen zurückkehren, hast du das vergessen?«, erinnerte ihn Thomas und brachte ihn damit zum Verstummen. »Selbst wenn wir diesen Kriegszug überleben – die Markgrafschaft steht dann unter der Herrschaft Albrechts von Wettin. Und wir sind verfemt.«
Das Lager war immer noch nicht zum Abmarsch bereit; die Hinrichtung der Räuber, das Begräbnis der eigenen Toten und die Versorgung der Verwundeten hatten den üblichen morgendlichen Ablauf in die Länge gezogen. Also hielt Thomas Ausschau nach dem jungen Benediktiner. Er wollte sich bei ihm bedanken dafür, dass er sich um die Verletzung seines Knappen gekümmert hatte.
Zu seiner Überraschung entdeckte er ihn bei dem Karren, auf den Rupert gehievt worden war. Er legte gerade ein Säckchen auf die Brandwunde des Knappen. »Das ist gekochter Leinsamen. Und lass dich von niemandem dazu überreden, irgendeine Salbe oder stinkende Umschläge darauf zu packen. Halt den Körper ruhig und bete zu Gott, damit er dir Heilung schenkt!«, ermahnte er den Verletzten und schien dabei seine übliche Verzagtheit vergessen zu haben.
»Ich werde beten, Bruder. Aber alles andere besprecht besser mit meinem Herrn!«, sagte Rupert rasch, als er Thomas kommen sah.
»Halte dich an die Anweisungen des Bruders«, entgegnete dieser zu Ruperts Beruhigung, der befürchtet hatte, sein Herr könnte auf noch absonderlichere Heilmittel als der Mönch kommen. Dabei wusste jeder, dass auf eine frische Wunde ein warmer Kuhfladen gehörte!
Dann wandte sich Thomas dem jungen Benediktiner zu. »Hab Dank, Bruder, dass du dich um meinen Knappen gekümmert hast.«
»Ich war erstaunt, dass Ihr ausgerechnet mich gerufen habt«, erwiderte dieser. »Woher wusstet Ihr, dass ich in meinem Kloster der Gehilfe des Infirmarius war?«
»Wegen der grünen Fingerspitzen«, verriet Thomas lächelnd. »Du suchst Kräuter, nicht wahr? Meine Mutter kennt sich auch damit aus und hat mir viele Ratschläge mit auf den Weg gegeben.«
»Dann sollte Euer Knappe für
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