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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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zu bahnen.
    Mit einem unbehaglichen Gefühl sah Thomas an sich herab. Sie würden jetzt der Blüte der deutschen Ritterschaft begegnen, den tapfersten und edelsten Männern des Kaiserreiches. Und er – noch nicht einmal ein Ritter, mit staubigen Stiefeln, zerzausten Haaren und einem Umhang, der unterwegs ziemlich gelitten hatte – ritt nun auf einem Hengst ins Lager, der Männern von höchstem Stand vorbehalten sein sollte. Er führte nicht einmal ein Wappen, war einfach ein namenloser Knappe, während Roland immerhin die Farben des Hauses Wettin trug. Und dass sie im Gegensatz zu allen anderen nicht die zwei gekreuzten roten Streifen auf dem Umhang trugen, machte sie zu Außenstehenden in dieser großen, beeindruckenden Gesellschaft.
    Ein Glück, dass Reinhard mich nicht sieht – das Großmaul ist ganz kleinlaut geworden, dachte Thomas.
    Je näher sie den ersten Zelten kamen, umso mulmiger wurde ihm zumute. Zum Glück ritt Roland voran.
    »Wo lagert der Graf von Weißenfels?«, fragte er den Ersten, der ihnen entgegenlief.
    »Graf wer? Hier gibt es fast drei Dutzend Grafen!«, antwortete der Mann achselzuckend.
    Roland ließ sich von der Antwort nicht entmutigen und hielt Ausschau nach einem gelb-schwarzen Banner.
    Thomas sah eines ein ganzes Stück links voraus im Wind flattern, doch dann erkannte er, dass darauf kein Löwe, sondern ein Huhn abgebildet war. Das nächste gelb-schwarze Wappen, das er entdeckte, trug auf einer Seite dicke Balken, auf der anderen etwas Längliches, das sich auf die Entfernung nicht erkennen ließ, das übernächste gekreuzte Streifen.
    Bald kam es ihm so vor, als würden sie schon den halben Tag durch das Heerlager reiten. Zum Glück wurde Thomas selbst kaum beachtet. Wenn überhaupt jemand sie zur Kenntnis nahm, richtete er das Augenmerk auf Roland, der voranritt.
    Hier sind nur Ritter und niedere Gefolgsleute, überlegte Thomas, während er das Treiben um sich herum aufmerksam beobachtete. Ihre Anführer werden vermutlich beim Kaiser sein, vielleicht bei einem Gottesdienst oder Mahl.
    Es waren tatsächlich keine Frauen im Lager, zumindest nicht in diesem Teil. Entgegen seinen früheren Zweifeln schienen eiserne Zucht und Ordnung zu herrschen. Er sah keine Betrunkenen, keine Raufereien. Die einzigen Schmerzensschreie kamen von einem Mann linker Hand, dem ein Bader mit viel Kraftaufwand einen Zahn zu ziehen versuchte, wobei die zahlreich versammelten Zuschauer nicht mit Bemerkungen geizten.
    Allmählich gab Thomas den Gedanken auf, Graf Dietrich heute noch zu finden. Bald würde es dunkel werden, und sie konnten nicht mehr durch das Lager reiten, ohne über Zeltschnüre zu stolpern. Dann mussten sie sich zum Quartiermeister durchfragen. Aber der würde vermutlich Dringenderes zu tun haben, als zwei Unbekannten, die nicht einmal dem kaiserlichen Heer angehörten, Auskünfte zu erteilen.
    »Dietrich von Weißenfels? Der Wettiner?«
    Diese Antwort eines vollständig gerüsteten Mannes, an den sich Roland gerade gewandt hatte, lenkte Thomas’ Aufmerksamkeit jäh nach vorn.
    »Haltet Euch links, noch etwa eine Viertelmeile, genau in Richtung des Kirchturms. Reitet vorbei an den Männern des Grafen von Holstein und denen des Herzogs von Meran. Dann stoßt Ihr auf sein Lager. Gleich gegenüber steht das des Bischofs von Meißen.«
    Roland bedankte sich für die Auskunft und lenkte seinen Rappen in die angewiesene Richtung.
    Endlich erreichten sie eine Gruppe von Zelten, die mit Lanzenwimpeln in den wettinischen Farben geschmückt waren. Neben dem größten war das meißnische Löwenbanner aufgepflanzt. Erleichtert saßen beide jungen Männer ab.
    »Gott schütze Euch! Wir kommen aus der Mark Meißen mit wichtiger Nachricht für Graf Dietrich«, wandte sich Roland an einen kräftigen älteren Ritter, der gerade ein paar Knappen und Reitknechte anwies, Feuerholz heranzuschaffen.
    Der Graubart drehte sich zu ihm um und musterte ihn kurz. »Der Graf ist beim Kaiser. Seine Majestät gibt zusammen mit seinen Söhnen, König Heinrich und dem Herzog von Schwaben, ein Festmahl für die Gesandten des Königs von Ungarn. Ihr werdet hier warten müssen, bis er zurückkommt. Vielleicht bis morgen früh.«
    »Das können wir nicht!«, platzte Thomas heraus. »Es ist wirklich dringend!«
    Missbilligend sah der Ältere zu Roland – wahrscheinlich, damit der seinen vorlauten Knappen zurechtwies.
    »Diese hitzköpfigen jungen Burschen!«, knurrte er und funkelte dann Thomas an. »Hast du nicht

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