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Der Fluch der Makaá

Der Fluch der Makaá

Titel: Der Fluch der Makaá Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Talbiersky
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unter ihm hindurchjagen konnte. Mateo saß seelenruhig auf der Kante und ließ die Beine baumeln, den Blick auf das wilde Wasser gerichtet wie in Meditation. Ja, ich hatte beinahe den Eindruck, als würde Mateo mit dem Fluss kommunizieren, sich vielleicht sogar mit ihm anfreunden – falls dies überhaupt möglich war. Mateo traute ich jedenfalls so etwas zu. Die seltsame Ruhe dieser Szene zog mich magisch in ihren Bann, bis mich Mateo plötzlich ansprach.
    „Gut geschlafen?“, fragte er, während ich zu ihm auf den Felsen kletterte. „Wie eine Königin“, lächelte ich ihn an. „Was machst du hier?“
    „Ich habe den Fluss gefragt, wo wir ihn am besten überqueren können.“
    Mit großen Augen blickte ich ihn an. Also doch! „Und?“, flüsterte ich atemlos. „Was hat er gesagt?“
    „Gluck, gluck“, lachte Mateo und kniff mich in die Seite. „Sehr witzig“, brummte ich, doch der Indianer ließ mir gar keine Zeit eingeschnappt zu sein. „Nein im Ernst“, sagte er, „ich bin schon eine ganze Weile wach und habe das Ufer abgelaufen. Etwa fünfzehn Minuten flussaufwärts von hier gibt es eine Stelle, wo wir es wagen können.“
    Wieder machte ich große Augen. „Das heißt, wir müssen tatsächlich diesen Fluss überqueren? Das ist jetzt kein Scherz?“
    „Kein Scherz.“
    Wie zur Bestätigung schlug eine Welle klatschend gegen den Felsen und schickte eine kühle Wasserfontäne zu uns hinauf. War mir der Fluss in der Dämmerung unheimlich erschienen, so hatte das freundliche Tageslicht wenig daran geändert. Nur noch wilder schäumte das Wasser, wenn es auf die scharfen Felskanten traf, die hier und da wie scharfe Speerspitzen aus dem Fluss ragten.
    „Normalerweise ist das Wasser ganz ruhig, kaum aufregender als ein breiter Bach“, erklärte Mateo. „Doch der Regen, selbst wenn er nicht örtlich gefallen ist, hat die Flüsse und Bäche in der Umgebung anschwellen lassen. Es wird zwar schwierig werden, das andere Ufer zu erreichen, aber es ist machbar.“
    Das andere Ufer war vielleicht zwanzig Meter entfernt. Gut, es können auch fünfzehn gewesen sein, doch ganz sicher nicht weniger als zehn – eines war aber sicher: ein verträumter Gebirgsbach sah anders aus!
    „Komm, lass uns die Jungs wecken. Heute wartet ein langer Marsch auf uns“, schlug Mateo vor und rutschte vom Felsen. Ich folgte ihm nicht sofort. Mein Blick ruhte auf der unbändigen Strömung. Bitte lass uns heil hinüber, lieber Fluss , flüsterte ich, doch der Fluss antwortete nur mit Schnauben und Tosen. Toll , dachte ich. Wir werden alle ertrinken, bevor wir auch nur die Hälfte des Weges zurückgelegt haben!
    Die Stelle, die Mateo für unseren Übergang gewählt hatte, unterschied sich auf den ersten Blick kaum von unserem Rastplatz. Das Wasser floss fast ebenso wild. „Der Unterschied ist, dass der Fluss hier nicht ganz so tief ist. Seht ihr?“, sagte Mateo. Und tatsächlich, wenn das Sonnenlicht durch die Blätter auf das Wasser fiel, konnte ich blanke Kiesel erkennen, rund geschliffen. Doch auch größere Steine lagen im Wasser. Die meisten waren überspült, doch einige durchbrachen die Oberfläche und markierten eine vage Zickzacklinie zum anderen Ufer. Mateo erklärte, dass diese Linie uns den Übergang erleichtern würde. Wir müssten uns praktisch nur von Stein zu Stein vorantasten. Normalerweise sollte bei einem Vorhaben wie dem unseren ein Seil von einem Ende zum anderen gespannt werden, doch da wir eine solche Sicherheitsleine nicht im Gepäck hatten, musste es auch so gehen. Mateo half uns, alles was wir hatten sicher zu verstauen, damit bloß nichts fortgespült werden konnte. Gerade wollten wir den ersten Schritt in den Fluss hinein wagen, da fiel Mateo noch etwas ein: „Zieht eure Schuhe aus“, befahl er. „Geht auf Socken rüber. Nasse Steine können sehr glitschig sein. In Socken habt ihr den besten Halt.“ Gehorsam zogen wir unsere Schuhe aus und banden sie an den Rucksack. Mateo selber ging barfuß, da er dies gewohnt war.
    Das Wasser war kalt, und mit kalt meine ich nicht etwa erfrischend! Es war so kalt, dass es auf der Haut beinahe brannte. Nach zwei Schritten hatte man Kniehöhe erreicht und ich fror von der Fußsohle hinauf bis zum Scheitel. Das Wasser zog an uns, und je weiter wir in den Fluss hinein wateten, desto anstrengender wurde es dem Druck standzuhalten. Um eine Chance gegen die Strömung zu haben, fassten wir uns alle an den Händen und bildeten eine Kette: Mateo führte unsere kleine

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