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Der Fluch der Makaá

Der Fluch der Makaá

Titel: Der Fluch der Makaá Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Talbiersky
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einer Klappe deutlich zu erkennen. Das kleine Symbol eines Headset darauf verriet, dass dies das Fach für das Funkgerät war. Ich fand auch einen Griff. Doch als ich daran zog, tat sich nichts. „Es klemmt!“, schnaufte ich verzweifelt. Ich zerrte und zerrte mit aller Kraft an dem Griff, doch die Klappe wollte einfach nicht nachgeben. „Vielleicht ist es eine automatische Verriegelung. Einmal zugeschnappt bleibt sie zu“, meinte Robert.
    Robert tastete mit der Hand nach der Wunde auf seiner Stirn und zuckte unter der Berührung zusammen. Dann stützte er das Kinn in die Hände und schloss die Augen. Nach einer Weile, ich hatte die ganze Zeit erfolglos versucht, die Klappe aufzubekommen, öffnete er schließlich die Augen und sprach mit langsamer, gedehnter Stimme: „Es gibt noch eine andere Möglichkeit, warum diese Klappe sich nicht öffnen lässt.“
    „Und die wäre?“, fragte ich und atmete tief durch. Ich war ganz schön außer Puste geraten.
    „Zugegeben, auf den ersten Blick ist es etwas abwegig, aber auf den zweiten…“
    „Komm bitte zur Sache, Robert, ja?“ Ich fühlte meine Nerven allmählich schwinden.
    „Nun ja, vielleicht ist sie abgeschlossen worden. Siehst du, dort in der Vorrichtung ist ein kleiner Spalt wie für einen Schlüssel! Aber wir wissen, dass die Klappe ursprünglich offen war, denn Carlos hat das Funkgerät auf unserem Flug mehrmals benutzt. Mein Schluss ist: sie wurde nachträglich abgeschlossen. Wenn das allerdings zutrifft, gehe ich jede Wette ein, dass das Funkgerät nicht mehr da drinnen ist.“
    „Wann nachträglich?“, fragte Oliver mit runzelnder Stirn. „Du meinst nach unserem Absturz?“ Das konnte mein Bruder doch unmöglich ernst meinen! Doch Robert nickte. „Ich sag ja, auf den ersten Blick ist es abwegig…“
    „Und was ist der zweite Blick?“, hakte ich nach, ohne ihn ausreden zu lassen.
    „Der zweite Blick ist der, der uns sagt, dass unsere Eltern nicht da sind. Sie sind einfach weg. Und ich glaube auch nicht, dass Papa und Mama aus dem Flugzeug geschleudert wurden. Sie waren beide angeschnallt, und seht doch: Die Anschnallgurte sind nicht gerissen, sie sind vollkommen unbeschädigt.“
    Tatsächlich. Selbst im schwachen Licht des Mondes war es deutlich erkennbar. Zwar waren die Zustände innerhalb der Cessna chaotisch – alle Sachen waren durcheinandergewirbelt worden – doch ernsthaft beschädigt war nichts, abgesehen von den Beulen an der Außenwand und der abgerissenen Tür.
    „Das heißt also, dass jemand hier gewesen ist, während wir bewusstlos waren?“
    „Das ist meine Vermutung“, nickte Robert.
    „Eine furchtbare Vorstellung“, rief ich, und obwohl ich mich innerlich gegen diesen Gedanken wehrte, musste er in Erwägung gezogen werden, insbesondere, nachdem Oliver plötzlich etwas entdeckt hatte: „Seht euch das mal an!“, rief er und wies auf den Sitz, auf dem die Mutter gesessen hatte. Zuerst wussten Robert und ich gar nicht, was er meinte, doch als unser Blick unter den Sitz fiel, bemerkten wir einen zerknüllten, breiten Streifen mit ausgefransten Enden, als wäre er hektisch von einem grauen Klebeband abgerissen worden – und keine zwanzig Zentimeter davon entfernt: die Klebebandrolle selber.
    „Ich glaube“, sagte Robert düster, „das ist der Beweis: unsere Eltern wurden entführt.“

Tag 1 nach dem Absturz

    B rüllaffen und schrille Vogelschreie weckten uns noch vor Sonnenaufgang. Der Urwald begrüßte den neuen Tag auf seine ihm ureigene lautstarke Weise, die meinen Geschwistern und mir fremd und unheimlich anmutete. Wir hatten alle sehr wenig geschlafen und fühlten uns dementsprechend wie gerädert, doch es bedurfte nicht viel, um uns wieder putzmunter werden zu lassen. Wir brauchten uns dafür nur unsere verzweifelte Lage in Erinnerung zu rufen. Oliver räkelte sich auf seinem Sitz und schnaubte wie ein kleines Fohlen, während Robert sich die müden Augen rieb. Meine linke Schulter, auf der ich in halber Schräglage die letzten Stunden halb dösend, halb schlafend verbracht hatte, fühlte sich steif und ungelenk an. Dies war also unsere erste Nacht im Dschungel gewesen. Dass es nicht unsere Letzte bleiben würde, ließ sich beim ersten vorsichtigen Blick aus dem Flugzeugfenster noch nicht erahnen.
    Wie anders der Wald doch aussah, nachdem die Dunkelheit dem frühen Morgenlicht gewichen war! Ein grauer Schleier hatte sich über das Dickicht gelegt und tränkte das Grün mit frischem Tau. Wie Perlenschnüre reihten

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