Der Fluch der Maorifrau
Otago Boys Highschool, die OB, gegangen - und Sie?«
»Auf die OG, bis ich dann mit dreizehn Jahren nach Samoa gekommen bin.«
»Wissen Sie, dass Sie traurig gucken, wenn Sie das sagen«, raunte Lieutenant McLean, während er sie eindringlich anschaute.
Unwillkürlich stiegen Kate Tränen in die Augen. Er hatte eine Sehnsucht in ihr geweckt, die sie lange verdrängt hatte.
»Ich habe in den letzten Jahren gedacht, das hier wäre meine Heimat, aber ich würde alles darum geben, noch einmal die satten Wiesen, die sanften Hügel, die Schafe, die Bucht von Otago zu sehen und in St Clair am Meer entlangzuwandern. Und einmal noch im Garten in der Princes Street zu sitzen.«
»Princes Street?«, wiederholte er ungläubig und fuhr gerührt fort: »Da besitzt mein Vater ein Haus. Da wohnt meine Schwester. Bitte, halten Sie mich nicht für spinnert, aber das kann doch kein Zufall sein. Schon als sie hereinkamen, hatte ich das Gefühl, als hätte Sie der Himmel gesandt. Kate, ich ...« Er beugte sich zu ihr hinunter, um ihr offensichtlich die Hand zu küssen, aber in diesem Augenblick wurde die Tür aufgerissen und Bill McLean schreckte zurück.
»Ach, du bist es!«, sagte er sichtlich erleichtert. Der Soldat, der nun lässig auf den Schreibtisch zugetreten war, besaß eine entfernte Ähnlichkeit mit dem Lieutenant, auch wenn er blondes Haar und blaue Augen hatte. Er fixierte Kate mit spöttischem Blick.
»Das ist mein jüngerer Bruder Steven. Und das ist Kate. Du wirst es kaum glauben, aber sie kommt aus Dunedin.«
»So? Na, wie eine Samoanerin sieht sie ja auch nicht gerade aus.«
»Steven!«, ermahnte Bill ihn und wandte sich grinsend Kate zu.
»Er meint es nicht so. Sie müssen wissen, er leidet am Tropenkoller. Er verträgt die Hitze nicht und vergisst dann schon mal seine gute Erziehung.«
An Steven schien die Kritik des großen Bruders jedoch abzuprallen. Er musterte Kate prüfend von oben bis unten. »Ich hätte Sie glatt für eine Deutsche gehalten. Groß, blond und blauäugig. So stellen wir uns die Hunnen vor.«
»Steven, jetzt reicht es aber! Wir sollten uns lieber anhören, was Kate zu sagen hat.«
»Oh, Kate, wie vertraut das doch klingt! Aber machen Sie sich keine Hoffnungen, Kate, mein Bruder ist ein eingefleischter Junggeselle und schneller wieder fort, als Sie denken können. Also, schenken Sie ihm bloß nicht Ihr Herz!«
Sie war bei seinen Worten knallrot angelaufen, und auch Bill stand der Zorn ins Gesicht geschrieben. Er wollte gerade etwas sagen, da kam ihm Kate zuvor.
»Danke für die Belehrung. Sie rennen bei mir offene Türen ein. Wenn für mich etwas nicht in Frage kommt, ist es eine Heirat.« Während sie das voller Trotz hervorpresste, klopfte ihr Herz bis zum Hals. Kate hoffte, dass er sie nicht durchschaute, denn sie hatte vor nicht einmal fünf Minuten das erste Mal seit damals wieder an die Ehe gedacht.
»Steven, ich würde vorschlagen, du entschuldigst dich bei Kate«, sagte Bill in strengem Ton.
»Sorry, Lady!«, murmelte Steven unwillig.
Bill forderte Kate nun freundlich auf, ihr Anliegen vorzubringen. Sie schilderte ohne Umschweife, dass sie auf keinen Fall auf ihren Pflanzer Otto Brenner verzichten könne und daher nicht wolle, dass man ihn in ein Gefangenenlager transportierte. Steven hörte sich das Ganze unbeteiligt an, während Bill offensichtlich ganz Ohr war.
»Ich denke, wir können da etwas für Sie tun. Er ist ja schließlich kein Regierungsbeamter!«, versprach er ihr schließlich.
Kate stand auf, bedankte sich und wollte gehen, aber er reichte ihr die Hand und drückte ihre.
»Kate, ich schlage vor, ich suche Sie heute Abend auf, wenn ich mit Logan über Ihren Fall gesprochen habe. Dazu bräuchte ich Ihre Adresse.«
Kate nannte sie ihm, krampfhaft bemüht zu verbergen, dass ihr Herz bei der Aussicht, ihn so bald wiederzusehen, vor Freude einen Sprung machte.
»Wiedersehen, Kate!«, sagte Steven ironisch.
Kate missfiel sein Ton außerordentlich.
»Auf Wiedersehen, Steven!«, antwortete sie und imitierte dabei seinen ironischen Unterton. Bill konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Kaum hatte Kate die Tür hinter sich geschlossen, hörte sie ihn mit Nachdruck auf seinen Bruder einreden.
Was für ein Widerling, dieser Steven!, dachte Kate, doch schon waren ihre Gedanken wieder bei seinem netten Bruder und der Frage, was sie ihm zum Abendessen kredenzen sollte.
Im Kolonialwarenladen steckten ein paar Frauen ihre Köpfe zusammen und unterhielten sich
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