Der Fluch der Maorifrau
die schlimme Nachricht noch ein paar Tage für sich zu behalten. Die junge Frau war inzwischen im achten Monat und trug schwer an dem Ungeborenen.
»Lieb, dass du mich besuchst, jetzt, wo Bill John unterwegs ist«, grüßte sie und lud ihre Schwiegermutter zum Mittagessen ein, aber Kate brachte keinen Bissen herunter. »Wie findest du es eigentlich, dass er jetzt noch auf eine Bergtour geht, obwohl er doch weiß, dass ich mich in meinem Zustand ohne ihn fürchte ...«
Kate hörte ihr gar nicht mehr zu. Wenn der Gedanke, dass er in den Bergen war, Christine schon so aufregte, wie würde sie dann erst reagieren, wenn sie erfuhr, auf welcher Reise er sich wirklich befand?
Die Stunden vergingen, ohne dass sich Kate traute, ihrer Schwiegertochter die Wahrheit zu gestehen. Doch schließlich fasste sie sich ein Herz. »Christine, mein Engel, ich muss mit dir reden.«
Die werdende Mutter erschrak.
Wie ich es auch anfange, es wird verkehrt sein, dachte Kate. Also wendete sie die Worte nicht länger, sondern berichtete Christine unumwunden, wohin Bill wirklich gefahren war.
Ihre Reaktion war ein eisiges Schweigen.
»Ihm wird bestimmt nichts geschehen. Er versieht als Arzt seinen Dienst hinter der Front«, versuchte Kate sie zu trösten.
Nach qualvollen Minuten des Schweigens presste Christine vorwurfsvoll hervor: »Du hast mich verraten, Kate. Das werde ich dir nie verzeihen.«
»Er hat es einfach nichts übers Herz gebracht, dir die Wahrheit zu sagen, Liebes. Er dachte, ich könnte es besser, aber wie du siehst, versage ich auf der ganzen Linie«, sprach Kate nun sanft auf ihre Schwiegertochter ein, doch es half nichts.
»Du hättest es verhindern müssen!«
»Glaub mir, ich habe alles versucht, Christine. Aber er ist ein erwachsener Mann, und sein Entschluss stand fest. Was meinst du, wie gern ich ihn davon abgebracht hätte, aber du kennst ihn doch. Wenn er sich etwas in den Kopf setzt ...« Kates Stimme versagte. Es überstieg ihre Kräfte, die Starke zu spielen, obwohl die Ängste um ihren Sohn seit Monaten an ihr nagten.
»Er liebt mich nicht. Ich habe es doch gewusst. Sonst hätte er mich in dieser Situation niemals alleingelassen. Kein liebender Mann verlässt seine schwangere Frau, nur um in den verdammten Krieg zu ziehen. Er wollte weg von mir. Das ist der Grund.«
»Christine, Kind, das ist doch nicht wahr. Seine besten Freunde haben sich gemeldet. Da wollte er sich nicht drücken. Und er hat mir versprochen, dass er aus Kreta zurückkehrt, sobald sie verhindert haben, dass die Deutschen die Insel besetzen.«
»Zum Teufel, was geht ihn Kreta an? Und mich lässt er hier sitzen mit dieser grässlichen Schwangerschaft, die mich Tag für Tag dicker und hässlicher macht.«
Kate war erschüttert. Sie breitete die Arme aus, doch Christine stieß sie weg.
»Du steckst mit ihm unter einer Decke und -« Sie schrie laut auf und fasste sich an den Bauch.
Kate begriff den Ernst der Lage sofort. Sie befahl Christine, sich hinzulegen, eilte zum Telefon und rief einen Krankenwagen. »Und bitte schnell, es ist eine Frühgeburt!«
Im Krankenhaus wich Kate ihrer Schwiegertochter nicht von der Seite. Sie hielt ihr die Hand, redete beruhigend auf sie ein und wäre auch noch mit in den Kreißsaal gekommen, wenn man sie denn gelassen hätte. Stattdessen saß sie nun, zitternd vor Angst, im Flur und zuckte jedes Mal zusammen, wenn die Tür zum Kreißsaal aufflog. Gerade, als sie ein wenig eingenickt war, wurde sie von einer männlichen Stimme geweckt.
»Sie sind über den Berg. Alle beide. Das Kind ist zum Glück kräftig, aber es muss noch ein wenig im Brutkasten bleiben. Wollen Sie es sehen?«
Kate nickte und folgte dem Arzt. Der erste Blick auf ihr Enkelkind erfolgte durch eine Glasscheibe. Und doch war Kate sicher, dass es ein starkes Kind war, das da das Licht der Welt erblickt hatte. Viel mehr Sorge als das kleine Mädchen im Brutkasten machte ihr die junge Mutter. Christine lag apathisch im Bett, den Kopf zur Wand gedreht, stumm und abweisend.
Das wird die Anstrengung sein. Sie braucht jetzt Ruhe, sagte sich Kate und verließ das Zimmer. Im Flur wäre sie beinah mit dem Arzt zusammengeprallt.
»Sie sehen so erschrocken aus. Stimmt etwas nicht mit Ihrer Schwiegertochter?«, fragte er sofort.
»Nein, nein. Sie redet nicht mit mir, aber das ist sicherlich nur die Erschöpfung.«
Der Arzt schaute sie durchdringend an. »Hoffen wir, dass ihre Niedergeschlagenheit nicht chronischer Natur ist.«
Kate nickte
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