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Der Fluch der Maorifrau

Der Fluch der Maorifrau

Titel: Der Fluch der Maorifrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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sich herschob. Wenn Marys Kind da ist, sagte sie sich, dann rede ich ein ernstes Wort mit ihm.
 
    Am achten Dezember war es bei Mary endlich so weit. Die Wehen setzten mit einer Woche Verspätung ein, für die junge Mutter kein Anlass zur Sorge. Sie war an diesem Tage fröhlich wie immer. Sie wirkte beinahe aufgekratzt und scherzte, wenn die Kontraktionen nachließen.
    »Es wäre doch schön, wenn es ein Mädchen würde! Dann hätte Klara eine Spielkameradin, die beiden verlieben sich in zwei Brüder, und wir feiern später einmal Doppelhochzeit«, malte sie sich lachend aus, nachdem sie sich gerade noch vor Schmerz gewunden hatte.
    Anna hielt ihre Hand. Für sie war es Ehrensache, dass sie der Freundin in diesen Stunden beistand. Sie hätte Mary bei Klaras Geburt auch nicht missen wollen.
    Ihre Tochter hatte Anna an diesem Tage zum ersten Mal in der Obhut von Paula gelassen, die Klara ebenfalls über alles liebte. Anna war der Abschied allerdings so schwergefallen, dass Paula sie schließlich mit den Worten »Sie reisen doch nicht nach Europa« aus der Haustür geschoben hatte.
    Auch wenn Mary lachte und scherzte, etwas an der Freundin missfiel Anna. War es ihr blasses, durchscheinendes Gesicht oder die tiefen Schatten unter Marys Augen?
    Mary schien von der düsteren Stimmung um sie herum nichts wahrzunehmen. Sie redete in einem fort und versuchte die anderen zum Lachen zu bringen. Das konnte Anna jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nicht gut um die Freundin stand. Das ernste Gesicht der Hebamme, nachdem diese Mary noch einmal untersucht hatte, unterstrich die düstere Ahnung. Irgendetwas stimmte nicht.
    Plötzlich schrie Mary gellend auf, dass einem das Blut in den Adern gefrieren konnte, und dann ging alles ganz schnell.
    Elisabeth Ginsbury, die erfahrene Hebamme, raunte Anna zu: »Großer Gott! Es liegt verkehrt herum!«
    Anna wusste, was das zu bedeuten hatte. Wenn die Hebamme es nicht schaffte, das Kind im Mutterleib so zu drehen, dass es mit dem Kopf nach unten zu liegen kam, bestand Lebensgefahr für Mutter und Kind. Sie war sich nicht sicher, ob Mary ahnte, in welcher Gefahr sie schwebte. Tapfer ertrug die Freundin die schlimmsten Schmerzen. Sie schrie nur, wenn es gar nicht mehr anders ging. Ansonsten biss sie die Zähne fest zusammen. Anna lächelte ihrer Freundin ermutigend zu, während die ihre Hand förmlich zu zerquetschen drohte. Der alten Hebamme lief indessen der Schweiß in Strömen herunter, während sie sich krampfhaft bemühte, das Kind zu drehen.
    »Heißes Wasser! Tücher!«, forderte sie nun, und Anna sprang auf und rannte los. Ihr blieb nicht anderes übrig, als zu beten, während sie zwischen Küche und Schlafzimmer hin- und herrannte.
    Anna wusste nicht, wie oft sie gelaufen war. Sie hörte nur die gellenden Schreie der Freundin, die sie nun nicht mehr unterdrücken konnte, und ihr eigenes Keuchen. Als sie gerade wieder mit einer vollen Waschschüssel in das Schlafzimmer trat, traf sich ihr Blick mit dem von Elisabeth Ginsbury. Die schüttelte unmerklich mit dem Kopf. Anna verstand. Sie stellte die Schüssel aus der Hand, ging zitternd zum Bett ihrer Freundin und streichelte ihr über das nasskalte Gesicht. Auch in Marys Augen war nun die schreckliche Wahrheit zu lesen. Sie schien zu wissen, dass es weder für das Kind noch für sie Hoffnung gab. Trotzdem lächelte sie so, als wolle sie ihrer Freundin auch jetzt noch Mut machen.
    »Anna!«, hauchte sie mit letzter Kraft. »Liebste Anna, kannst du mir etwas versprechen?«
    Anna nickte, bemüht, die Tränen zu unterdrücken.
    »Mein Timothy, der braucht jemanden, und dich liebt er über alles. Sei ihm wie eine Mutter und auch John, der ...« Damit stöhnte sie noch einmal laut auf, sah Anna aus weit aufgerissenen Augen an - und ihr Kopf sackte leblos zur Seite.
    Anna wurde von Schluchzern geschüttelt. Mit zitternden Händen strich sie der leblosen Mary immer wieder über das verklebte Haar. Sie wollte es nicht glauben und stammelte nur: »Mary! Mary!«

 
Dunedin, 27. Dezember 2007
 
    Sophie legte das Manuskript vorsichtig auf der Bettdecke ab, denn sie konnte mit einem Mal nichts mehr sehen. Tränen rannen ihr über das Gesicht. Sie wischte sie energisch ab.
    Ein Blick auf den Hotelwecker zeigte ihr, dass es bereits neun Uhr war. Frühstück gab es nur bis halb zehn. Hastig sprang sie unter die Dusche und schlüpfte in Judith' blaues Sommerkleid und ihre Sandalen.
    Nach einem kargen Frühstück ließ sie sich auf dem

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