Der Fluch der Maorifrau
nicht gefiel. Zum Abschied wollte sie John McDowell ein Bild von sich mit auf den Weg geben, das er niemals vergessen sollte. Sie war alles andere als kokett, aber wenn er sich nun schon in die Arme dieser fremden Frau warf, sollte er sie wenigstens in bester Erinnerung behalten.
Der lange Rock raschelte bei jedem Schritt, als sie schließlich in den Salon trat. Beide Männer erhoben sich und rückten ihr den Stuhl zurecht, als sie an den Tisch kam. Nicht nur John stand die Bewunderung ins Gesicht geschrieben, nein, auch Christian starrte sie begehrlich an. Wie Anna unschwer erkennen konnte, hatte er in der Zwischenzeit reichlich getrunken.
Seine Stimme klang verwaschen, als er nun sagte: »Sie hat sich für deinen Abschied wirklich hübsch gemacht. Für mich zieht sie ja so was nicht an! Aber das ist kein Zufall. Guck doch nur, wie sie dich anhimmelt! Was würde sie darum geben, mit deiner Zukünftigen zu tauschen! Ich glaube, sie würde zu gern zu dir ins Bett kriechen.« Mit diesen Worten kniff er Anna ohne Vorwarnung in die Wange, griff sich die Karaffe mit dem Rotwein, trank sein Glas fast in einem Zuge leer und schenkte sich sofort noch einmal nach.
Anna lief rot an. Was erlaubte er sich! Wie konnte er sie so kompromittieren! Auch wenn er instinktiv gefühlt hatte, was in ihr vorging, so besaß er doch nicht das Recht, sie dermaßen bloßzustellen. Sie ballte die Fäuste und warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Mit hocherhobenem Kopf setzte sie sich an die Stirnseite des Tisches, auf den Platz, den Christian sonst einzunehmen pflegte. Er ließ es widerspruchslos geschehen und senkte den Blick.
Während die beiden Männer sich rechts und links von ihr niederließen, überlegte sie fieberhaft, was sie tun sollte. Wenn Christian so ungehemmt weiter trinkt, wird noch ein Unglück geschehen, dachte sie nervös. Soll ich ihn ermahnen, das Trinken zu lassen? Aber sie wusste, dass das alles noch schlimmer machen würde. Ob er wirklich spürt, wie sehr ich John liebe?, fragte sie sich gerade, als Christian sich vertraulich zu John herüberbeugte.
»Nun sag schon, wann ist die Hochzeit? Kannst du es überhaupt noch erwarten, mein Freund? Immer nur diese gewissen Damen, das ist ja auf Dauer auch nicht das Wahre, mal abgesehen von den Krankheiten, die man sich dort holen kann. Da hat man doch gern was Gesundes in den eigenen Laken, das nach Bedarf die Beine breit macht! Nicht wahr, alter Junge?« Zur Bekräftigung klopfte er John auf die Schulter, der bei diesen Worten ebenso rot angelaufen war wie Anna.
»Ich würde gern noch mal mit dir über das Frauenwahlrecht sprechen«, sagte Anna nun laut zu John.
Der sah sie verwirrt hat. Er war vor Verlegenheit noch ganz starr. Schließlich räusperte er sich. »Hast du etwa dieses Pamphlet gelesen?«, fragte er nun unwirsch.
»Welches Pamphlet?« Anna war erleichtert, weil der Themenwechsel zu gelingen schien.
»Es heißt Femina und ist ein Appell an uns Männer, euch das Wahlrecht zu geben und -«
Weiter kam er nicht, weil Christian ihn unterbrach, der keinen geraden Satz mehr herausbringen konnte. Er lallte etwas von Frauen, die an den Herd und in das Ehebett gehörten, um den Männern zu Willen zu sein. Dabei fuchtelte er so ungeschickt mit den Armen herum, dass er die Karaffe mit dem Wein auf die Erde fegte. Statt sich zu entschuldigen, rief er: »Paula, der Wein ist alle. Oder bring mir doch besser gleich meinen Whiskey.«
Anna schaute John flehentlich an.
»Christian, es ist besser, wenn du jetzt ein wenig schläfst. Ich glaube, du bist müde«, sagte der schließlich mit sanfter Stimme:
Die Antwort war nur ein entstelltes »Blödsinn!«.
Paula, die herbeigeeilt war, um den Wein vom Boden aufzuwischen, fragte Anna leise: »Was soll ich tun?«
»Auf keinen Fall Alkohol bringen«, raunte Anna so leise wie möglich, aber Christian hatte offenbar jedes Wort verstanden.
Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, bevor er lospolterte: »Du hast mir gar nichts zu sagen. Du nicht!« Dann lehnte er sich wieder vertraulich über den Tisch zu John hinüber. Dabei geriet der Ärmel seines Anzugs in die Schüssel mit der Soße, was er nicht einmal bemerkte. »Ich weiß gar nicht, was die da vom Frauenwahlrecht faselt. Anna sieht zwar so aus wie eine Frau, aber das täuscht. Sie ist nämlich keine wirkliche Frau. Sie ist eine alte Jungfer. Vergiss, was ich eben gesagt habe! Dass sie in dein Bett will. Das war ein Witz. Diese Frau ist so abweisend, verstehst du, die setzt
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