Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch der Maorifrau

Der Fluch der Maorifrau

Titel: Der Fluch der Maorifrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
Vom Netzwerk:
hinein.
    »Aber Anna!«, entfuhr es John McDowell entgeistert. »Das darfst du aber nicht vergleichen. Es ist doch nicht die Aufgabe von euch Frauen, die Geschicke der Politik zu bestimmen. Natürlich gibt es vereinzelt Frauen wie dich, denen ich ein ordentliches Maß an politischem Verstand durchaus nicht absprechen möchte, aber der Großteil der Frauen? Nein, liebe Anna, das Wahlrecht für Frauen ist eine Utopie, die sich hoffentlich niemals erfüllen wird!«
    Anna lag eine Widerrede auf der Zunge, aber sie schluckte die Worte herunter. Es wäre doch zwecklos. John war ein engagierter Vorkämpfer für das Wahlrecht der Maori gewesen, aber für das Frauenwahlrecht einzutreten käme ihm nie in den Sinn.
    »Anna!«, raunte John jetzt heiser, und der Klang seiner Stimme alarmierte all ihre Sinne. »Anna, ich werde Timothy dieses Mal endgültig mit nach Wellington nehmen.«
    Anna wurde heiß und kalt. »Aber, aber ... Du kannst ihn dort doch gar nicht versorgen. Er ist bei uns bestens aufgehoben, und du kommst bestimmt bald nach Dunedin zurück.«
    »Nein!«, entgegnete John McDowell entschieden. »Ich werde meinen Wohnsitz endgültig nach Wellington verlegen. Albert übernimmt meine Kanzlei.«
    Anna zuckte zusammen. Das war kein gutes Zeichen, dass er seine Kanzlei freiwillig seinem Bruder übergab. Sie wusste doch, wie sehr er ihm misstraute. In ihrem Magen breitete sich ein Unwohlsein aus. Was konnte nur Schlimmes geschehen sein, dass er seinem ungeliebten Bruder alles überließ, der Stadt den Rücken kehrte und ihr Timothy nahm?
    »Aber wer soll denn den Jungen dort betreuen?«, fragte sie verzweifelt. Der Gedanke, Timothy hergeben zu müssen, der ihr lieb und teuer war wie ein eigenes Kind, trieb ihr die Tränen in die Augen.
    »Lucille McMyer!« John senkte den Blick.
    Das versetzte Anna in höchste Alarmbereitschaft. »Lucille? Wer zum Teufel ist Lucille McMyer?«
    »Meine zukünftige Frau!« Immer noch vermied John es krampfhaft, Anna anzusehen.
    Kreidebleich starrte sie ihn an. »Deine Frau?«, wiederholte sie nach einer Weile mit erstickter Stimme. Sie umklammerte die Lehnen des Korbstuhles, damit er nicht sah, dass ihre Hände zitterten. Gegen die Tränen jedoch war sie machtlos; sie strömten ihr einfach über die Wangen.
    »Aber Anna!«, entfuhr es John erschrocken, als er erkannte, wie sehr diese Nachricht sie berührte. Dabei griff er nach ihrer Hand, doch sie klammerte sich noch immer an den Lehnen fest.
    Sie hasste ihn in diesem Augenblick, auch wenn ihr Verstand etwas anderes sagte. In ihrem Herzen tobte ein Sturm, der alle anderen Empfindungen hinwegfegte bis auf die Wut und die quälende Frage, wie er ihr so etwas antun könne.
    John war ganz blass geworden. »Anna, wenn ich gewusst hätte, dass es dir so nahegeht ...« Er stockte.
    »Es ist nur ... Es ist nur wegen Timothy. Ich ... Ich habe mich doch so an ihn gewöhnt!«, schluchzte sie, aber John sah sie durchdringend an.
    »Du hast mir niemals das Gefühl gegeben, dass du meine Liebe für dich erwiderst«, flüsterte er nun.
    »Was hätte das geändert?«, fragte sie, bemüht, ihn dabei nicht anzusehen. Mit dem Ärmel ihres Kleides wischte sie sich entschieden die Tränen aus dem Gesicht.
    »Nichts. Gar nichts!«, gab er schließlich zerknirscht zu und fügte nachdenklich hinzu: »Du bist eine verheiratete Frau!«
    »Und du bald ein verheirateter Mann!«, erwiderte Anna tonlos.
    »Du wirst sie mögen«, sagte John in versöhnlichem Ton.
    »Ich will sie gar nicht kennenlernen. Ich kannte Mary, und das war wunderschön, aber ihre Nachfolgerin muss ich nicht kennen«, entgegnete Anna trotzig.
    »Anna, so versteh mich doch«, stöhnte er flehend. »Ich habe außer Mary nur eine Frau geliebt, und du weißt, wen, aber du hast eine Familie.«
    »Ich weiß, aber es tut trotzdem so unendlich weh, und ich möchte einmal im Leben nicht tapfer sein. Bitte, einen winzigen Augenblick lang möchte ich dir zeigen, was ich wirklich fühle. Keine Sorge, es ist gleich wieder vorbei.«
    Wieder wollte John ihre Hand nehmen, aber Anna ließ es nicht zu. Sie wusste, dass es ungerecht war, ihm diese versöhnliche Geste zu verweigern, aber sie konnte nicht anders. Johns Besuche waren in all den Jahren die kostbaren Augenblicke gewesen, auf die sie förmlich hingelebt hatte -mit klopfendem Herzen und weichen Knien. Was blieb ihr denn noch, wenn John aus ihrem Leben verschwand?
    »Sie wird eine gute Mutter für Timothy sein«, erklärte John nun hilflos.
    Anna schwieg.

Weitere Kostenlose Bücher