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Der Fluch der Maorifrau

Der Fluch der Maorifrau

Titel: Der Fluch der Maorifrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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von Anfang an nie so stürmisch und leidenschaftlich gewesen wie zwischen Anna und John oder zwischen ihr, Sophie, und David. Es ist nicht wichtig, hatte sie sich all die Jahre einzureden versucht. Jan und sie schliefen nur ganz selten miteinander. Ständig gab es irgendwelche Termine, die sie davon abhielten, sich einen romantischen Abend zu machen. Das werden wir ändern, wenn ich wieder zu Hause bin, nahm Sophie sich in diesem Augenblick fest vor. Wir werden unsere Liebe feiern, wir werden ... Die Erkenntnis traf Sophie wie ein Blitz aus heiterem Himmel: Sie begehrte Jan eigentlich seit den Anfangstagen ihrer Beziehung nicht mehr, obwohl er ein attraktiver Mann war.
    Und sie erinnerte sich plötzlich auch genau daran, wann die Leidenschaft verloschen war. Sie war nach einem leidenschaftlichen Kuss mit zu ihm gegangen, er hatte sie ausgezogen, dann sich selbst und hatte sie einfach stehen lassen, um sein Hemd, sein Jackett und seine Hose fein säuberlich über einen Stuhl zu hängen. In diesem Moment hatte sie an David denken müssen. Fortan war David ihr stiller Begleiter gewesen, wenn sie mit Jan geschlafen hatte. Sophie wurde übel. Wie hatte sie das nur all die Jahre so verdrängen können? Musste sie da erst mit der Nase auf das Schicksal einer Ahnin gestoßen werden, um zu begreifen, dass sie im Begriff stand, einen Mann zu heiraten, den sie nicht begehrte? Wie lange hatte sie das schon verdrängt? Dabei hätte sie Jan beinahe schon einmal betrogen ...
    Ihre Gedanken wanderten zurück zu einer Klassenreise nach Florenz. Um ein Haar hätte sie damals eine Affäre mit dem feingeistigen Kunstkollegen begonnen. Zärtliche geflüsterte Worte, der betörende Duft der Zypressen, eine innige Umarmung, ein Kuss ... Doch trotz des Zuviel an toskanischem Wein, der aufgeheizten Stimmung und der Verführungskünste ihres Kollegen war sie schließlich nicht mit ihm aufs Zimmer gegangen. Ein letzter Kuss, mehr war nicht passiert, aber sie hatte die ganze Nacht von ihm geträumt.
    Sophie wurde heiß und kalt. Sie hätte es tun können. Kein Mensch hätte je davon erfahren, doch sie hatte das verführerische Angebot abgelehnt, obwohl ihr Körper in jener Nacht nach seinem verlangt hatte.
    Ob Jan auch schon einmal in Verführung geraten war, sie zu betrügen?
    Siedendheiß fiel ihr etwas ein: Hatte sie sich nicht gerade neulich erst gewundert, dass Jans Kleidung nach Maiglöckchen roch? Wo sie doch auf diesen Duft allergisch reagierte und grüne Düfte bevorzugte?
    Alles hatte danach gerochen, als hätte er in Maiglöckchenparfüm gebadet. Selbst, als er nackt zu ihr ins Bett gekrochen war, hatte er nach Maiglöckchen gestunken. Jede normale Frau hätte das zumindest gewundert, dachte Sophie nun, als sie sich daran erinnerte, mit welchem Gleichmut sie das hingenommen hatte. Sie war sich seiner so sicher gewesen, dass sie nicht einmal einen Gedanken daran verschwendet hatte, ob Jan nicht vielleicht längst mit anderen Frauen schlief.
    Erst in diesem Augenblick setzte es sich alles wie ein Puzzle zusammen. Die Tagung im Wirtschaftsrecht, auf die ihn die langbeinige Referendarin begleitet hatte, die nächtlichen Anrufe danach, bei denen er stets behauptet hatte: Falsch verbunden!, sein lustloses Verhalten beim Wiedersehen. Sie hatten zwar miteinander schlafen wollen, aber er hatte nicht gekonnt. Dann seine nächtelangen Termine und dieser penetrante Geruch nach Maiglöckchen. Sophie wusste sogar, wie sie hieß: Sandra! Sandra Berg!
    Das Schlimmste daran war, dass sie nicht einen Hauch von Eifersucht verspürte. Es war ihr vollkommen gleichgültig, ob er mit seiner Referendarin oder gar seiner attraktiven Kollegin schlief.
    Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen meiner Ahnin und mir, redete sie sich energisch zu. Ich liebe und respektiere Jan! Das ist die Basis für eine gute Ehe! Die Leidenschaft ist nur eine flüchtige Laune der Natur, dachte sie und zweifelte doch im selben Augenblick daran, ob das wirklich ihrem Gefühl entsprach.

 
Dunedin, im Januar 1870
 
    Nun war John fort und mit ihm Timothy. Es war für Anna kaum zu ertragen, wenn sie die Klatschbasen Dunedins die Köpfe zusammenstecken sah, weil es im Moment nur ein einziges Thema gab: die bevorstehende Hochzeit von John McDowell mit dieser »Wellingtoner Dame«, wie Emily Brown Lucille McMyer nannte.
    »Wissen Sie, wie die Wellingtoner Dame aussieht?« Mit dieser indiskreten Frage hatte sie Anna neulich erst im Kolonialwarenladen überfallen. »Er ist

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