Der Fluch der Maorifrau
ich tun, wenn ich ihm Klara wegnehmen würde. Kannst du das verstehen?« Anna war ganz ruhig, als sie in Johns Augen blickte.
Er war den Tränen nahe.
Sie schlang die Arme um seinen Hals und flüsterte: »Rette dich! Ich war so egoistisch, dass ich dich ganz für mich allein haben und dir deine Chance nicht von Herzen gönnen wollte. Ich darf ihn nicht umbringen. Und ich darf auch Klara den Vater nicht nehmen. Und du, du hast Lucille dein Wort gegeben und darfst deine Glaubwürdigkeit nicht aufs Spiel setzen. Das würde immer zwischen uns stehen. Wir hätten unser Glück auf dem Unglück von anderen aufgebaut.«
»Du lebst also lieber mit einem widerlichen Trunkenbold, der dich beleidigt, unter einem Dach, weil du ihm sein Kind und Klara den Vater nicht nehmen willst?«, fragte er fassungslos.
Anna nickte. Er hatte sie jetzt noch dichter an sich herangezogen. Seine Hand streichelte sanft ihren Nacken. Wohlige Schauer durchrieselten sie von Kopf bis Fuß. Plötzlich wusste sie, was sie tun wollte, um mit dieser traurigen Entscheidung leben zu können. »John, ich habe nur einen Wunsch, bevor wir uns trennen.« Ihre Stimme zitterte.
»Alles, was du willst, mein Liebling!«, versprach er ihr leise.
»Ich möchte dir ein einziges Mal im Leben ganz gehören. Ich möchte dich mitnehmen in meine Träume für alle Ewigkeit, denn danach wird mich nie wieder ein Mann berühren«, raunte sie.
Johns Stimme wurde heiser, als er stammelte: »Mein Liebling? Das ist ja ... Du bist ... Ich wäre der glücklichste Mann auf Erden. Bist du dir ganz sicher?«
Anna presste die Lippen auf seinen Mund. Er erwiderte ihren Kuss, und je mehr sich ihre Körper danach sehnten, eins zu werden, desto leichter wurde Anna ums Herz. Sie würde dem Mann gehören, den sie liebte.
»Gehen wir hinein?«, schlug er mit heiserer Stimme vor und zog sie zum Eingang seines Anwesens. Seine Augen glänzten fiebrig.
»Nein!«, entgegnete sie entschieden. Sie wollte es auf keinen Fall in Marys Haus tun. »Lass uns hinaus nach St Clair fahren!«, flüsterte sie und lächelte ihn an.
Er war sichtlich verwirrt.
»Bitte!«
»Alles, was du willst!« Trotzdem zog er sie fort, bis sie vor seinem Haus standen. »Bin gleich wieder da. Ich hole uns nur Anna!«
»Anna?«
»Sie wird dir gefallen.« Mit diesen Worten verschwand er und kehrte flugs mit einer braunen Stute zurück, auf die er sie behutsam hob, bevor er selbst galant hinter ihr aufsaß.
Anna warf lachend den Kopf in den Nacken, doch dann blieb ihr das Lachen im Halse stecken. Albert McDowell trat aus dem Haus und sah sie feindselig an, doch da gab John dem Pferd schon die Sporen. Anna schüttelte das Haar im Wind und nahm sich vor, keinen Gedanken an diesen vernichtenden Blick zu verschwenden.
John hört bestimmt mein Herz klopfen, dachte sie, während sie durch die Nacht galoppierten. John hielt sie mit einem Arm von hinten umfasst, während er mit der anderen die Zügel hielt. Als das Meer vor ihnen auftauchte, wünschte sich Anna, dass dieser Augenblick niemals vorübergehen möge. Leise Schauder durchrieselten sie bei der Vorfreude auf das, was in dieser milden Frühlingsnacht noch passieren würde.
Nachdem John das Pferd an einen Pfahl gebunden hatte, nahm sie ihn bei der Hand und führte ihn bis zum Strand. Sie ließen sich Zeit dabei, einen geeigneten Platz zu finden. Dort breitete John seinen Mantel auf dem weißen Sand aus und küsste sie sanft. Als sie sich aus ihrer leidenschaftlichen Umarmung gelöst hatten, zog sie das Kleid aus und bat ihn mit bebender Stimme, die Schnüre ihres Korsetts zu lösen. Seine zittrigen Finger auf ihrer Haut versetzten sie in eine Ekstase, die ihr beinahe Angst machte. Nun spürte sie seine feuchten Lippen auf ihrem Rücken. Er streifte ihr Korsett ab, und sie drehte sich zu ihm um.
»Du bist so schön, Anna! So unendlich schön! Wie oft habe ich mir in schlaflosen Nächten vorgestellt, wie es sein würde, dich so zu sehen, deine Haut zu spüren, deinen Duft einzuatmen. Es ist noch viel schöner!« Dabei strich er ganz behutsam über ihre Brüste.
Wogen der Wonne erfassten ihren Körper. Alles in ihr funkelte, als er in sie eindrang.
Dunedin, 28. Dezember 2007
Es wurde draußen schon wieder hell, als Sophie die Aufzeichnungen aus der Hand legte, aber an Schlaf war nicht zu denken. Ihre Gedanken wirbelten wild durcheinander, bis sich alles auf eine Frage konzentrierte: Wann hatte sie selbst jemals eine solche Liebesnacht erlebt?
Mit Jan war es
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