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Der Fluch der Schriftrollen

Der Fluch der Schriftrollen

Titel: Der Fluch der Schriftrollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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wurde und je weiter die Zeit voranschritt, ohne daß der Messias zurückkehrte,
desto heftiger stellte Jakobus Simons Führerschaft in Frage. Die Ursache dafür
lag darin, daß Jakobus der Bruder des Meisters war. Und so geschah es, daß
Simon, des Meisters bester Freund, schließlich unterlag und mit seinem Weib aus
Jerusalem fortzog, um in anderen Städten von der Rückkunft des Messias zu
predigen. Warum er sich dabei ausgerechnet nach Rom wandte, vermag ich nicht zu
sagen. Es wäre allenfalls denkbar, daß ihn eine wachsende Messianische Gemeinde
dort zu diesem Schritt bewog und daß er dieser beistehen wollte.
    Als ich mich der Gemeinschaft
der Armen anschloß, herrschte, wie ich dir schon berichtete, eine große
Bestürzung unter den Zwölfen über einen Mann namens Saul von Tarsus. Dieser
behauptete, der Messias sei ihm auf der Straße nach Damaskus erschienen und
habe ihm befohlen, Heiden zum Neuen Bund zu bekehren. Nachdem er bereits eine
große Gemeinschaft der Armen in Antiochia ins Leben gerufen hatte, begab sich
dieser Saul von Tarsus wegen eines Verbrechens, das man ihm zur Last legte,
nach Rom, um seinen Fall Cäsar vorzutragen. Saul war einer der Verantwortlichen
für die Bekehrung vieler in Rom lebender Juden zu unserem Glauben.
    Und deshalb war es für mich,
als ich an diesem fünfzehnten Tag des römischen Monats Dezember in Rom ankam,
nicht schwer, die Häuser von Menschen ausfindig zu machen, die wie ich selbst auf
die Rückkehr des Messias warteten.
    Sie empfingen mich, gaben mir
den Friedenskuß und nannten mich Bruder. Es war das erste Mal, daß ich das Wort Christ hörte, und ich war darüber im höchsten Maß verwirrt. Auch
bezeichneten meine jüdischen Glaubensgenossen in Rom den Messias mit dem Namen
Jesus, welches der lateinische Ausdruck für seinen Namen ist. Das stimmte mich
ebenfalls nachdenklich. Als man mich schließlich zu Simon führte, gab es ein
unvergeßliches Wiedersehen, bei dem wir uns in die Arme schlossen und unseren
Freudentränen freien Lauf ließen. Ich drückte den alten Mann an mich, als ob
ich ihn nie mehr loslassen wollte, und er ließ einen solchen Wortschwall in
Aramäisch auf mich niedergehen, daß ich spürte, wie gut es seiner Zunge tat,
wieder die Muttersprache zu sprechen. Dann setzten wir uns zu einer Mahlzeit
aus herbem Käse, Brot und Oliven zusammen und schwelgten in Erinnerungen an
vergangene Zeiten.
    Er fragte mich: »Hat Jakobus
seine Sache gut gemacht?« Und ich antwortete: »Ja, weil er einflußreich ist.
Tausende haben sich unserer Gemeinschaft angeschlossen, und alle warten sie auf
die Rückkunft des Meisters. Während die Hetzreden gegen Rom ständig zunehmen,
sind wir uns alle einig, daß wir in der Endzeit leben und daß dies die Zeit
ist, von der der Meister sprach. Er wird morgen vor den Toren stehen.«
    Dann sah ich mich unter den
Anwesenden in der Versammlung um und bemerkte die Halsbänder, die sie trugen.
Und da wußte ich, daß sie Heiden waren. So sagte ich: »Wenn der Meister
zurückkehrt, so wird in Zion das Königreich Gottes errichtet, und das
auserwählte Volk wird die Welt regieren.« Da legte Simon mir eine Hand auf die
Schulter und sprach: »Ich weiß, was in deinem Herzen vorgeht, mein Sohn, und
würde gerne deine Bestürzung zerstreuen. Als unser Meister vor dreißig Jahren
diese Erde verließ und wiedergeboren wurde, da war ich ein junger Mann und
konnte seine Rückkehr kaum erwarten. So erzählte ich jedermann, daß es schon
morgen sein würde. Doch jetzt bin ich sehr alt und ein wenig vorausschauender.
Ich erkenne jetzt, daß er nicht die Absicht hatte, zurückzukehren, bevor nicht
mehr Gläubige für seinen Empfang vorbereitet wären.«
    Ich entgegnete: »Ganz
Jerusalem erwartet ihn, Simon.« Und er antwortete: »Sie sind alle nur Juden.
Wir können auch die Heiden nicht im Stich lassen.«
    Das traf mich wie ein Schlag
auf den Kopf, und ich war sprachlos. Simon hatte sich in den Jahren unserer
Trennung dermaßen verändert, daß er nicht mehr derselbe Mensch war. Nach einer
langen Pause vermochte ich endlich, meine Gedanken in Worte zu fassen: »Wollt
Ihr damit sagen, daß Ihr den Römern vom Messias predigt?«
    »Ich predige ihnen vom
Messias, und sie glauben daran«, gab er zur Antwort.
    »Aber sie sind doch nicht
beschnitten!« wandte ich ein. »Die Beschneidung gehört dem Alten Bund an«,
erklärte Simon. »Wir sind aber Brüder im Neuen Bund.«
    »Und halten sie das Gesetz
der Thora

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