Der Fluch der Sphinx
dafür bekannt ist, mit wertvollen ägyptischen Nationalschätzen gehandelt zu haben?«
Erica hatte Angst, ihre Erleichterung könne allzu offensichtlich sein. Offenbar wußte Achmed nichts von dem Mord. »Nein«, sagte sie. »Davon hatte ich keine Ahnung.«
»Haben Sie eine Ahnung«, fragte Achmed weiter, »welchen Problemen wir gegenüberstehen, wenn wir den Schwarzhandel stoppen wollen?« Er stand auf und trat vor die Landkarte Ägyptens.
»Ich kann es mir denken«, sagte Erica, verwirrt durch den wiederholten Themenwechsel in ihrer Unterhaltung. Sie verstand noch immer nicht, warum Achmed sie in sein Büro gebracht hatte.
»Die Lage ist sehr schlecht«, erklärte Achmed. »Denken Sie an den beispiellosen Diebstahl der zehn Steintafeln voller Hieroglyphen vom Relief des Tempels von Dendera im Jahre 1974. Eine Tragödie, eine nationale Schande.« Achmeds Zeigefinger ruhte auf dem roten Kopf der Nadel, die auf der Karte die Lage des Tempels von Dendera anzeigte. »Es müssen mit den dortigen Verhältnissen vertraute Leute daran beteiligt gewesen sein. Aber der Fall ist nie aufgeklärt worden. Hier in Ägypten arbeitet die Armut gegen uns.« Achmeds Stimme verlor sich. In seiner Miene spiegelte sich Verdruß und Engagement. Sachte berührte sein Zeigefinger die Köpfe weiterer Nadeln. »Jede dieser Nadeln bezeichnet den Tatort eines kapitalen Raubs von Altertümern. Hätte ich genügend Personal zur Verfügung, und wäre Geld vorhanden, um den Wächtern angemessene Gehälter zu zahlen, dann könnte man dagegen etwas tun.« Achmed sprach nun beinahe mehr zu sich selbst als zu Erica. Als er sich umdrehte, schien er fast überrascht, sie vor sich in seinem Büro zu sehen. »Was treibt Monsieur de Margeau in Ägypten?« fragte er.
»Ich weiß es nicht«, sagte Erica. Sie dachte an die Sethos-Statue und Abdul Hamdi. Ihr war klar, daß sie, falls sie von der Statue sprach, auch über den Mord reden mußte.
»Wie lange bleibt er?«
»Ich habe nicht die entfernteste Ahnung. Der Mann ist mir doch heute erst begegnet.«
»Aber Sie haben heute schon mit ihm zu Abend gegessen.«
»Das stimmt«, sagte Erica trotzig.
Achmed begab sich wieder hinter seinen Schreibtisch. Er lehnte sich über die Tischplatte und starrte bedrohlich in Ericas graugrüne Augen. Sie spürte die Eindringlichkeit seines Blicks und versuchte, ihm standzuhalten, aber ohne viel Erfolg. Sie war ein wenig zuversichtlicher geworden, als sie gemerkt hatte, daß Achmeds Interesse Yvon galt, nicht ihr. Aber sie hatte noch immer Angst. Außerdem hatte sie gelogen. Sie wußte, daß Yvon es auf die Statue abgesehen hatte.
»Was haben Sie während des Essens über Monsieur de Margeau herausgefunden?«
»Daß er ein charmanter Mann ist«, wich Erica seiner Frage aus.
Achmed hieb mit der Faust auf die Tischplatte, so daß einige der sorgfältig gespitzten Bleistifte durchs Zimmer flogen.
»Ich interessiere mich nicht für seine Persönlichkeit«, sagte Achmed langsam und nachdrücklich. »Ich will wissen, warum Yvon de Margeau sich in Ägypten aufhält.«
»Na, warum fragen Sie ihn dann nicht selbst?« meinte schließlich Erica. »Ich habe mit dem Mann bloß zu Abend gegessen.«
»Gehen Sie oft mit Männern zum Abendessen, die Sie kurz vorher kennengelernt haben?« fragte Achmed.
Erica musterte sehr aufmerksam seine Miene. Diese Frage überraschte sie, aber bis jetzt hatte sie hierzulande noch alles überrascht. Ihr war, als habe in seiner Stimme eine Spur von Enttäuschung aufgeklungen, aber sie sagte sich, das sei wohl ein lächerlicher Irrtum. »Ich gehe äußerst selten mit Fremden essen«, verteidigte sie sich trotzig. »Aber ich hatte sofort Vertrauen zu Yvon de Margeau gefaßt und fand ihn charmant.«
Achmed nahm seine Jacke und zog sie bedächtig an. Er leerte mit einem letzten Schluck seine Tasse und sah Erica an. »In Ihrem eigenen Interesse bitte ich Sie, über unsere Unterhaltung Schweigen zu bewahren. Ich bringe Sie jetzt zurück ins Hotel.«
Jetzt war Erica total verwirrt. Während sie Achmed zusah, wie er die vom Schreibtisch gefallenen Bleistifte einsammelte, verspürte sie plötzlich ein Schuldgefühl. Diesem Mann war offenbar aufrichtig darum zu tun, des Schwarzhandels mit Altertümern Herr zu werden, und sie hielt Informationen zurück. Doch zugleich war die Begegnung mit Achmed für sie ein Anlaß zur Furcht; genau wie Yvon vorausgesagt hatte, verhielt er sich nicht so, wie sie es von amerikanischen Beamten gewohnt war. Sie
Weitere Kostenlose Bücher