Der Fluch der Sphinx
eigentlich, wo sie sich befand? Sie dachte an Richard und ihre Mutter und überlegte, ob sie nicht versuchen sollte, ein Auslandsgespräch anzumelden. Nervös sah sie sich in dem Raum um. Er war spartanisch eingerichtet und außergewöhnlich sauber. An den Wänden hingen eingerahmte Fotos verschiedener archäologischer Denkmäler sowie ein modernes Poster mit der Totenmaske Tutanchamuns. Zwei große Karten bedeckten die rechte Wand. Es handelte sich einmal um die Landkarte Ägyptens, auf welcher zahlreiche Stellen mit kurzen roten Stecknadeln bezeichnet waren; bei der anderen handelte es sich um eine Karte der Nekropolis Theben, hier waren die Grabstätten durch Malteserkreuze gekennzeichnet.
Erica biß sich auf die Lippen, um ihre Unruhe zu verbergen, und blickte wieder Achmed an. Zu ihrer Verblüffung sah sie ihn mit einem elektrischen Kocher hantieren.
»Möchten Sie Tee?« fragte er und drehte sich um.
»Nein, vielen Dank«, erwiderte Erica, regelrecht benommen durch die seltsamen Umstände. Sollte sie vielleicht doch voreilige Schlußfolgerungen gezogen haben? Sie war heilfroh, daß sie noch kein überstürztes Geständnis herausgeplappert hatte, bevor sie überhaupt erfuhr, was der Araber von ihr wollte.
Achmed füllte sich eine Tasse mit Tee und stellte sie auf den Schreibtisch. Er tat zwei Zuckerwürfel hinein und rührte langsam um. Unterdessen heftete er seinen intensiven Blick erneut auf Erica. Hastig senkte sie ihre Augen, um sich dem Bann zu entziehen. »Ich möchte gerne wissen, warum Sie mich hergebracht haben.« Sie sprach, ohne aufzusehen.
Achmed gab keine Antwort. Erica schaute hoch, umsich zu vergewissern, daß er sie überhaupt gehört hatte, und als sich ihre Blicke kreuzten, traf sie Achmeds Stimme wie ein Peitschenschlag.
»Und ich möchte wissen, was Sie in Ägypten machen!« Er schrie sie praktisch an.
Seine Wut überraschte Erica, und sie verhaspelte sich bei der Antwort. »Ich bin … ich bin hier … ich bin Ägyptologin.«
»Sie sind doch Jüdin, oder?« schnauzte Achmed.
Erica war gescheit genug, um zu ahnen, daß Achmed sie aus dem Gleichgewicht zu bringen versuchte, aber sie wußte nicht, ob sie stark genug war, um sich gegen ihn zu behaupten. »Ja«, sagte sie bloß.
»Ich möchte wissen, warum Sie sich in Ägypten herumtreiben«, wiederholte Achmed und hob erneut seine Stimme.
»Ich bin hergekommen …«, begann Erica in trotzigem Ton.
»Ich will wissen, was der Zweck Ihrer Reise ist und für wen Sie arbeiten.«
»Ich arbeite für niemanden«, sagte Erica nervös, »und meine Reise dient keinem besonderen Zweck.«
»Soll ich vielleicht glauben, Ihre Reise sei mit keinem besonderen Zweck verbunden?« spottete Achmed. »Nun hören Sie aber auf, Erica Baron.« Er lächelte, und seine schwärzliche Haut kontrastierte stark mit dem Weiß seiner Zähne.
»Natürlich hat sie einen Zweck«, sagte Erica, deren Stimme zu versagen drohte, »jedenfalls keinen, den ich verheimlichen müßte.« Ihre Stimme versiegte, als sie an die komplizierte Problematik mit Richard dachte.
»Sie machen gar keinen überzeugenden Eindruck«, stellte Achmed fest. »Ganz und gar nicht.«
»Das ist schade«, antwortete Erica. »Ich bin Ägyptologin. Seit acht Jahren befasse ich mich mit dem alten Ägypten. Ich arbeite in der ägyptologischen Abteilung eines Museums. Immer schon wollte ich mal nach Ägypten. Vor Jahren hatte ich bereits die Absicht, einmal Ägypten zu bereisen, aber der Tod meines Vaters machte mir einen Strich durch die Rechnung. Erst in diesem Jahr habe ich es geschafft. Ich habe mich darauf eingestellt, hier ein bißchen zu arbeiten, aber in der Hauptsache sollte es ein Urlaub sein.«
»Was für Arbeit?«
»Ich möchte in Oberägypten an Ort und Stelle die Übersetzung von Hieroglyphen aus der Zeit des Neuen Reiches vornehmen.«
»Sie sind nicht hier, um Altertümer zu kaufen?«
»Um Himmels willen, nein«, antwortete Erica.
»Seit wann kennen Sie Yvon Julien de Margeau?« wollte Achmed wissen; er beugte sich vor und fixierte Erica.
»Ich habe ihn erst heute kennengelernt«, sprudelte Erica hervor.
»Wie haben Sie ihn kennengelernt?«
Ericas Pulsschlag beschleunigte sich, und der Schweiß trat ihr erneut auf die Stirn. Wußte Achmed schon von dem Mord? Einen Moment zuvor hatte sie noch daran gezweifelt, aber nun war sie wieder vollkommen verunsichert. »Wir sind uns auf dem Basar begegnet«, stotterte Erica. Sie hielt den Atem an.
»Wußten Sie, daß Monsieur de Margeau
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