Der Fluch der Sphinx
weiterzulesen. Aber sein Verstand zog nicht mit; seine Gedanken schweiften immer wieder zu Erica Baron ab. Er dachte an ihre Durchschaubarkeit bei der Vernehmung. Er wußte, daß eine solche Reaktion kein Zeichen von Schwäche war, sondern vielmehr von Empfindsamkeit. Zugleich war er der festen Überzeugung, daß Erica nichts Wichtiges wußte.
Plötzlich fielen Achmed die Worte seines Mitarbeiters ein, von dem er wußte, daß Yvon de Margeau mit Erica zu Abend gegessen hatte. Der Mann hatte berichtet, daß de Margeau mit ihr ins Casino de Monte Bello gegangen sei und es dort sehr romantisch sei.
Achmed stand auf und spazierte durchs Zimmer. Er fühlte sich verärgert, ohne zu begreifen, warum. Was tat de Margeau in Ägypten? Beabsichtigte er, weitere Antiquitäten zu erwerben? Bei seinen bisherigen Aufenthalten in Ägypten war Achmed nicht dazu in der Lage gewesen, ihn angemessen überwachen zu lassen. Diesmal gab es vielleicht eine Möglichkeit. Wenn Ericas Bekanntschaft mit de Margeau inniger wurde, konnte er den Mann durch Erica im Augenmerk behalten.
Er ging ans Telefon und rief seinen Stellvertreter an, Zaki Riad, um ihn anzuweisen, er solle Erica Baron vierundzwanzig Stunden täglich beschatten lassen, angefangen am heutigen Morgen. Außerdem teilte er Riad mit, daß die mit der Beobachtung beauftragten Mitarbeiter direkt ihm persönlich Bericht erstatten sollten. »Ich will wissen, wohin sie geht und mit wem sie zusammenkommt. Alles.«
Kairo, 2 Uhr 45
Ein ungewohnter Bimmelton ließ Erica aufschrecken. Sie saß kerzengerade im Bett. Zuerst hatte sie überhaupt keine Ahnung, wo sie sich befand: Sie hörte Wasser rauschen und hatte bloß ihren Schlüpfer an. Das energische, metallische Läuten wiederholte sich, und da begriff sieendlich, daß sie im Hotel war und das Telefon klingelte. Das Wasserrauschen kam von der Dusche, die immer noch lief. Sie war auf der Überdecke des Betts eingeschlafen, obwohl noch die gesamte Beleuchtung brannte.
Ihr Verstand arbeitete noch nicht richtig, als sie den Hörer abhob. Die Telefonistin sagte ihr, das Gespräch mit Amerika sei zustande gekommen. Nach einigen fernen Geräuschen herrschte jedoch vollkommene Stille im Hörer. Erica rief mehrmals in die Muschel, aber umsonst; sie zuckte mit den Schultern, legte auf und lief ins Bad, um die Dusche abzustellen. Ein flüchtiger Blick in den Spiegel kostete sie beinahe den letzten Nerv. Sie sah gräßlich aus. Ihre Augen waren gerötet, die Lider geschwollen, und der Pickel an ihrem Kinn war zu einer richtigen Beule angewachsen.
Das Telefon klingelte erneut, und sie eilte zurück ins Schlafzimmer, um abzuheben.
»Ich bin ja so froh, daß du anrufst, Liebling! Wie ist deine Reise bis jetzt verlaufen?« Richards Stimme am anderen Ende der Verbindung klang erfreut.
»Entsetzlich«, sagte Erica.
»Entsetzlich? Was ist denn nicht in Ordnung?« Richards Stimme klang besorgt. »Bist du wohlauf?«
»Es geht mir gut«, sagte Erica. »Es war bloß nicht unbedingt so, wie ich’s mir vorgestellt hatte.« Als sie Richards stets übertriebenes Beschützertum spürte, dachte sie sich, daß es wahrscheinlich ein Fehler gewesen war, ihn anzurufen. Aber da sie sich nun schon einmal darauf eingelassen hatte, erzählte sie ihm von der Statue und dem Mord, den ausgestandenen Schrecken, von Yvon und Achmed.
»Mein Gott«, rief Richard, offenkundig außer sich vor Entsetzen. »Erica, ich möchte, daß du unverzüglichheimkehrst, mit dem nächsten Flugzeug!« Schweigen. »Erica, hast du mich gehört?«
Erica strich sich das Haar nach hinten. Richards Befehlston übte eine negative, völlig gegenteilige Wirkung aus. Er konnte ihr keine Anweisungen erteilen, welcher gute Wille ihnen auch zugrunde liegen mochte.
»Ich bin nicht bereit«, sagte sie fest, »Ägypten einfach wieder so zu verlassen.«
»Hör zu, Erica, du hast mir nun klargemacht, worauf es dir ankommt, aber jetzt besteht doch kein Grund mehr, es noch weiter auszudehnen, zumal wenn du in Gefahr schwebst.«
»Ich schwebe nicht in Gefahr«, widersprach Erica rundheraus. »Und was meinst du damit, ›worauf es dir ankommt‹?«
»Deine Unabhängigkeit. Ich habe ja Verständnis. Aber du brauchst doch dein demonstratives Verhalten nicht zu übertreiben.«
»Richard, ich bezweifle, daß du verstehst, worum es geht. So einfach ist das nicht. Das ist kein ›demonstratives Verhalten‹ von mir. Das alte Ägypten bedeutet mir sehr viel. Seit ich ein Kind war, habe ich immer davon
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