Der Fluch der Sphinx
geträumt, die Pyramiden zu besichtigen. Ich bin hier, weil ich hier sein will.«
»Nun, ich glaube, du machst eine Dummheit.«
»Ehrlich gesagt, ich finde, das ist nicht der richtige Gesprächsstoff für ein Überseetelefonat. Du vergißt immer wieder, daß ich nicht bloß eine Frau bin, sondern auch Ägyptologin. Dafür habe ich acht Jahre lang studiert, und ich habe an meiner Tätigkeit großes Interesse. Sie ist für mich ungeheuer wichtig.« Erica spürte eine grenzenlose Verärgerung in sich aufsteigen.
»Wichtiger als unsere Beziehung?« fragte Richard ineinem Ton, der irgendwo zwischen Gekränktsein und Zorn schwankte.
»So wichtig wie dir die Medizin.«
»Medizin und Ägyptologie sind zwei sehr unterschiedliche Dinge.«
»Natürlich, aber du übersiehst, daß Menschen an der Ägyptologie mit der gleichen Leidenschaft interessiert sein können wie an der Medizin. Aber ich gedenke jetzt nicht weiter mit dir darüber zu diskutieren, und ich fliege auch nicht zurück nach Boston. Noch nicht.«
»Dann komme ich zu dir nach Ägypten«, bot Richard im Tonfall größten Edelmuts an.
»Nein«, sagte Erica bloß.
»Nein?«
»Genau das habe ich gesagt – nein. Komm nicht nach Ägypten. Bitte. Wenn du etwas für mich tun willst, dann ruf meinen Chef an, Dr. Herbert Lowery, und bitte ihn, mich so schnell wie möglich hier anzurufen. Anscheinend ist es erheblich leichter, von Amerika nach Ägypten zu telefonieren, als umgekehrt.«
»Ich werde Lowery gerne benachrichtigen, aber bist du auch wirklich sicher, daß du mich nicht bei dir haben willst?« meinte Richard, über die Abfuhr merklich erstaunt.
»Ganz sicher«, sagte Erica, ehe sie sich verabschiedete und das Gespräch beendete.
Als das Telefon kurz nach vier Uhr wieder klingelte, schrak Erica nicht mehr so heftig auf wie beim ersten Mal. Allerdings befürchtete sie, Richard könnte wieder anrufen, und sie ließ es einige Male läuten, dieweil sie sich überlegte, was sie ihm entgegnen wollte. Aber der Anrufer war nicht Richard. Es war Dr. Herbert Lowery. »Erica, geht’s Ihnen gut?«
»Mit mir ist alles o.k., Dr. Lowery. Alles.«
»Als Richard vor etwa einer Stunde anrief, machte er einen ziemlich fassungslosen Eindruck. Er richtete mir aus, ich solle Sie anrufen.«
»Das ist richtig, Dr. Lowery«, sagte Erica und setzte sich auf die Bettkante, um richtig wach zu werden. »Ich kann es Ihnen sofort erklären. Ich möchte Ihnen von einer ganz erstaunlichen Angelegenheit berichten, und wie man mir gesagt hat, ist es viel leichter, in Ägypten anzurufen, als von hier aus zu telefonieren. Hat Richard Ihnen erzählt, was mir an meinem ersten Tag hier passiert ist?«
»Nein. Er sagte bloß, Sie hätten Ärger gehabt. Sonst nichts.«
»Ärger ist wohl nicht das richtige Wort«, berichtigte Erica. Rasch klärte sie Dr. Lowery zusammengefaßt über die Ereignisse des vorherigen Tages auf. Dann beschrieb sie so detailliert, wie sie es noch konnte, die Sethos-Statue.
»Unglaublich«, bemerkte Dr. Lowery, als Erica fertig war. »Ich hatte Gelegenheit, mir die Statue in Houston anzusehen. Der Käufer ist ein unanständig reicher Mann, und er hat sowohl Leonard vom Metropolitan wie auch mich in seiner privaten 707 nach Houston fliegen lassen, damit wir die Echtheit bescheinigen. Wir stimmten beide darin überein, daß es sich um die schönste Skulptur handelt, die jemals in Ägypten gefunden wurde. Ich nehme an, daß sie wahrscheinlich aus Abydos oder Luxor kommt. Der Zustand ist erstaunlich gut. Kaum zu glauben, daß sie dreitausend Jahre lang in einem Grab gestanden haben soll. Jedenfalls, was Sie mir da beschreiben, klingt ganz nach einem entsprechenden Gegenstück.«
»Sind auf dem Sockel der Statue in Houston Hieroglyphen gehauen?« fragte Erica.
»Ja«, antwortete Dr. Lowery. »Es steht ein sehr typischer religiöser Mahnspruch darauf, aber außerdem sind am Sockel noch weitere Hieroglyphen von merkwürdiger Zusammenstellung.«
»So ähnlich wie an der Statue, die ich gesehen habe«, rief aufgeregt Erica.
»Es war schwierig, sie zu übersetzen«, sagte Lowery, »aber der Text lautete ungefähr so: ›Ewiger Friede sei Sethos I. gewährt, der nach Tutanchamun herrschte‹.«
»Phantastisch«, freute sich Erica. »Die Statue hier trug ebenfalls beide Namen, sowohl Sethos’ wie auch Tutanchamuns. Ich war von Anfang an sicher, aber sonderbar ist es nebenbei auch.«
»Ich gebe zu, daß das Erscheinen von Tutanchamuns Namen keinen rechten Sinn ergibt.
Weitere Kostenlose Bücher