Der Fluch der Sphinx
Aber ich glaube, ich brauche einige Zeit für mich allein. Ich möchte Besichtigungen machen.«
»Es wäre mir eine Freude, Ihnen noch mehr von Kairo zeigen zu dürfen«, sagte Yvon hartnäckig.
Erica wollte den Tag nicht mit Yvon verbringen. Ihr Interesse an Ägypten war zu sehr persönlicher Natur, um es mit jemandem zu teilen. »Yvon, wie wäre es, wenn wir wieder zusammen zu Abend essen würden? Das wäre für mich die beste Lösung.«
»Ein gemeinsames Essen hätte sowieso dazugehört, aber ich kann Sie verstehen, Erica. Ein gemeinsamesAbendessen soll mir recht sein, ich freue mich jetzt schon sehr darauf. Aber lassen Sie uns eine Uhrzeit verabreden. Sagen wir, morgen abend um neun.«
Nach ein paar freundlichen Abschiedsworten legte Erica den Hörer auf. Yvons Beharrlichkeit überraschte sie. Sie selber hatte nicht den Eindruck, an diesem Abend sonderlich gut ausgesehen zu haben. Sie stand auf und trat vor den Frisierspiegel. Sie war achtundzwanzig, aber manche Leute hielten sie für jünger. Erneut fielen ihr die kaum wahrnehmbaren Fältchen auf, die sich nach ihrem letzten Geburtstag heimlich an ihren Augen gebildet hatten. Dann bemerkte sie, daß sie an ihrem Kinn einen kleinen Pickel bekam. »Mist«, sagte sie und versuchte, ihn auszudrücken. Aber es klappte nicht. Erica betrachtete sich und wunderte sich über die Männer. Sie fragte sich, was ihnen nun wirklich an Frauen gefiel.
Sie legte ihren Büstenhalter ab, dann den Rock. Während sie darauf wartete, daß das Wasser aus der Dusche warm kam, musterte sie sich nochmals im Badezimmerspiegel. Sie betrachtete ihr Profil, berührte den leichten Höcker auf ihrer Nase und überlegte, ob sie etwas zu seiner Beseitigung unternehmen solle. Sie trat zurück, um sich in ganzer Größe zu sehen, und war einigermaßen zufrieden mit ihrer körperlichen Erscheinung, obwohl sie fand, daß etwas mehr Bewegung ihr nicht schaden könnte. Plötzlich fühlte sie sich sehr einsam. Sie dachte an das Leben in Boston, das sie hinter sich gelassen hatte. Sie dachte an Richard. Die Dusche lief, aber Erica ging zurück ins Schlafzimmer und starrte das Telefon an. Kurzentschlossen verlangte sie eine Verbindung mit Richard Harvey und war enttäuscht, als die Telefonistin ihr erklärte, sie müsse mindestens zwei Stunden lang warten, vielleicht auch länger. Erica nörgelte, und die Telefonistin meinte, sie könnte darüber froh sein, weil gegenwärtig nicht viel los sei; normalerweise verstrichen in Kairo Tage, bis man ein Auslandsgespräch durchbekäme. Von außerhalb in der Stadt anzurufen sei leichter. Erica bedankte sich und legte auf. Während sie das stumme Telefon anstarrte, überwältigte sie plötzlich eine Aufwallung von Trauer. Sie kämpfte ihre Tränen nieder, die keinen konkreten Anlaß hatten, im Bewußtsein dessen, daß sie viel zu erschöpft war, um noch klar denken zu können. Sie brauchte jetzt erst einmal Schlaf.
Kairo, 0 Uhr 30
Achmed beobachtete die Spiegelungen der Lichter, die auf dem Nil Muster bildeten, als sein Wagen die Brücke des 26. Juli zur Insel Gezira überquerte. Sein Fahrer hupte pausenlos, aber Achmed hatte aufgegeben, es ihm abzugewöhnen. In Kairo hielten Fahrer das Hupen für genauso notwendig wie das Lenken.
»Ich bin um acht Uhr abholbereit«, sagte Achmed, als er vor seiner Wohnung in der Shari Ismail Muhammad im Stadtteil Zamalek aus dem Auto stieg. Der Fahrer nickte, vollführte eine schwungvolle Wendung und verschwand in die Nacht.
Mit langsamen Schritten betrat Achmed seine kahle Kairoer Wohnung. Sein kleines Haus am Nil in seiner Heimatstadt Luxor in Oberägypten war ihm lieber. Dorthin zog er sich zurück, wann immer es sich einrichten ließ. Aber die Bürde, die mit seinem Amt als Direktor der Altertümerbehörde einherging, hielt ihn mehr in der Stadt fest, als es ihm paßte. Vielleicht mehr als jeder andere war sich Achmed über die nachteiligen Folgender umfangreichen Bürokratie im klaren, die Ägypten sich selbst geschaffen hatte. Um den allgemeinen Bildungswillen zu fördern, garantierte die Regierung jedem Studienabgänger einen Posten im Verwaltungsapparat. Infolgedessen gab es darin zu viele Leute, die nichts oder wenig zu tun hatten. In einem solchen System war Unsicherheit ein chronischer Faktor, und die meisten Beamten verbrachten ihre Zeit damit, mit Intrigen ihre Posten zu sichern. Ohne die Subventionen aus Saudi-Arabien wäre die ganze kopflastige Mißgeburt wohl zusammengebrochen.
Solche
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