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Der Fluch der Sphinx

Titel: Der Fluch der Sphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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der vor einer Vitrine mit Schmuckauslagen stand, musterte sie ebenfalls unverwandt mit starrem Blick aus kohlschwarzen Augen. Vom Schaltertisch der Anmeldung lächelte ein riesenhafter Schwarzer zu ihr herüber, der aussah wie Idi Amin.
    Erica schüttelte den Kopf. Sie sah ein, daß die Übermüdung ihre Phantasie so verwirrte. Liefe sie in Boston allein um Mitternacht durch die Gegend, würde man sie genauso angaffen. Sie atmete tief durch und strebte auf die Aufzugtüren zu.
    Als Erica vor ihrer Zimmertür ankam, erinnerte sie sich daran, wie sie Achmed im Zimmer angetroffen hatte. Ihr Puls schlug schneller, als sie die Tür aufstieß. Ängstlich knipste sie das Licht an. Der Sessel, in dem Achmed gesessen hatte, war leer. Als nächstes schaute sie ins Bad; auch dort befand sich niemand. Während sie die Tür zweifach verschloß, bemerkte sie im Flur auf dem Fußboden einen Briefumschlag.
    Es handelte sich um einen Umschlag des Hotels. Auf dem Weg zum Balkon öffnete sie ihn und fand eine Mitteilung, daß Monsieur Yvon Julien de Margeau angerufen habe und sie ihn zurückrufen möge, egal um welche Uhrzeit. Der Text war mit dem Hinweis DRINGEND gestempelt.
    Erica atmete die kühle Nachtluft ein und begann sich zu entspannen. Dabei half ihr die herrliche Aussicht. Sie war noch nie in einem Wüstenland gewesen, so daß es sie überraschte, am Horizont genauso viele Sterne zu sehen wie über sich. Gleich vor ihr verlief das breite schwarze Band des Nils wie feuchter schwarzer Asphalt einer großen Autobahn. In der Ferne sah sie die angestrahlte geheimnisvolle Sphinx stumm die Rätsel der Vergangenheit bewachen. In unmittelbarer Nachbarschaft des mythischen Geschöpfs ragten die steinernen Kolosse der Pyramiden zum Himmel auf. Trotz ihres Alters wirkte ihre kantige Geometrie eher modern. Linkskonnte Erica die Insel Roda erkennen, die wie ein Ozeandampfer im Nil lag. Auf der diesseitigen Landspitze schimmerten die Lichter des Meridien, und ihre Gedanken wanderten erneut zu Yvon. Sie las noch einmal die Mitteilung und überlegte, ob Yvon wohl von Achmeds Besuch wußte, und sie erwog, ob sie ihm davon, falls er nichts wußte, erzählen sollte. Doch sie wollte sich auf keinen Fall in Angelegenheiten einmischen, die Sache der Behörden waren. Wenn es zwischen Achmed und Yvon irgend etwas zu regeln gab, dann war das deren Sache. Yvon war dafür alt genug.
    Erica setzte sich auf die Bettkante und bat um eine Verbindung mit dem Meridien Hotel, Suite 800. Den Telefonhörer zwischen Kopf und Schulter geklemmt, streifte sie ihre Bluse ab. Die kühle Nachtluft tat ihr gut. Es dauerte fast eine Viertelstunde, ehe das Gespräch zustande kam, und Erica begriff, daß das ägyptische Telefonnetz tatsächlich so katastrophal war, wie sein Ruf besagte.
    »Hallo?« Raoul meldete sich.
    »Hallo. Hier ist Erica Baron. Kann ich Yvon sprechen?«
    »Einen Moment.« Stille folgte, und Erica zog ihre Schuhe aus. Auf dem Rist der Füße lag ein Streifen Kairoer Staub.
    »Guten Abend«, sagte wohlgelaunt Yvon.
    »Hallo, Yvon. Ich habe eine Mitteilung vorgefunden, daß ich Sie anrufen soll. ›Dringend‹ stand darauf.«
    »Na, ich wollte Sie so schnell wie möglich sprechen, aber ein Notfall liegt nicht gerade vor. Ich fand den Abend heute bloß so wunderschön und wollte Ihnen danken.«
    »Das ist sehr nett von Ihnen«, sagte Erica geschmeichelt.
    »Sie sahen heute abend so schön aus, und ich bin ganz wild darauf, Sie wiederzusehen.«
    »Tatsächlich?« meinte Erica, ohne nachzudenken.
    »Ehrenwort. Ich wäre außer mir vor Freude, könnten wir morgen zusammen frühstücken. Hier im Meridien gibt es wundervolle Eier.«
    »Vielen Dank, Yvon«, sagte Erica. Sie hatte sich in Yvons Gesellschaft wohl gefühlt, aber es lag nicht in ihrer Absicht, ihre Zeit in Ägypten mit einem Flirt zu verschwenden. Sie wollte die Gegenstände ihrer Studienjahre an Ort und Stelle mit eigenen Augen sehen und wünschte dabei keinerlei Ablenkung. Und was noch mehr zählte: Sie hatte sich noch immer nicht endgültig entschieden, wie sie ihr Verhalten gegenüber dem Raub der Statue Sethos’ I. verantworten sollte.
    »Raoul kann Sie abholen, wann immer Sie wollen«, bot ihr Yvon an und unterbrach ihre Gedankengänge.
    »Danke, Yvon, aber ich bin völlig erschöpft. Ich möchte zu keiner bestimmten Zeit aufstehen.«
    »Verständlich. Sie können mich ja anrufen, sobald Sie aufgewacht sind.«
    »Yvon, der Abend hat mir gut gefallen, vor allem nach dem greulichen Nachmittag.

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