Der Fluch der Totenleserin totenleserin4
Latein gekonnt haben mochte.
Sie weigerte sich, weiter darüber nachzudenken.
Noch eine halbe Meile von der Spitze des Zugs entfernt war zu erkennen, dass vorne etwas nicht stimmte, und Adelia und Mansur versetzten ihre Pferde in einen kurzen Galopp, um zu sehen, was es gab. Joanna und ihre Oberen standen um eine Gestalt versammelt, die sie alle überragte.
Herzog Richard trug ein schimmerndes Kettenhemd, unter dem Arm hielt er seinen Helm mit der goldenen Herzogskrone. Sein Ausdruck war gefasst und würdevoll, und er achtete nicht weiter auf den verstört wirkenden Captain Bolt und den Bischof von Winchester.
Rowley löste sich aus der Gruppe und kam zu Mansur und Adelia. »Richard verlässt uns«, sagte er bitter auf Arabisch.
»Wohin will er?«
»In den Krieg.«
»Das kann er nicht.«
»Ich denke, er muss. Gerade ist ein Bote gekommen: Angoulême revoltiert. Das kann der Herzog nicht erlauben, wenn es letztlich auch sein Fehler ist, dass sich die verdammte Provinz gegen ihn erhebt.«
Angoulême. Angoulême. Soweit sich Adelia an Locustas Karte erinnerte, lag die Provinz südlich von ihnen. »Müssen wir also zurück? Oh Gott, Rowley, wie lange wird uns der Krieg aufhalten?«
»Wir umgehen ihn. Wir können nicht noch mehr Zeit verlieren, und der Herzog ist überzeugt, Vulgrin von Angoulême innerhalb von Tagen schlagen zu können. Er hat Verstärkung angefordert.«
»Und? Kann er ihn schlagen?«
»Oh, ja. Richard ist ein ausgezeichneter Feldherr, ob ich ihn nun mag oder nicht. Wenn ich Graf Vulgrin wäre, würde ich die Beine in die Hand nehmen.«
Adelia sah zu Joanna hinüber. »Die Ärmste«, sagte sie.
»Es trifft vor allem Locusta, der ist den Tränen nahe. Wir werden von seiner so ausgeklügelten Route abweichen, und er muss alles neu arrangieren, was in der Gegend, durch die wir ziehen werden, nicht einfach ist.«
Adelias Mitgefühl galt dennoch vor allem der Prinzessin, die erst von dem einen und jetzt auch noch von ihrem anderen Bruder verlassen wurde.
Joanna schien jedoch eher besorgt als alarmiert.
Sie ist es gewohnt, dachte Adelia. Ihr ganzes junges Leben lang hatte sie ihren Eltern dabei zugesehen, wie sie irgendwo in ihrem Reich Aufstände niederschlugen, und sogar miterlebt, wie sich ihre Mutter und ihre Brüder gegen ihren Vater erhoben. Ihre Welt war eine Welt des Krieges: Aufstände und Gefechte gehörten für sie zur natürlichen Ordnung der Dinge. Und das taten sie auch, nur in England und Sizilien nicht.
Die Ritter und ihre Knappen mussten sofort los. In einer improvisierte Messe unter den Zweigen einer Kastanie wurde der Segen Gottes und ein schnelles Ende des Krieges erbeten.
Sorgenschwer stolperte der Bischof von Winchester durch die Liturgie, während Herzog Richard keinerlei Zeichen von Rastlosigkeit erkennen ließ, wie es sein ungeduldiger Vater getan hätte. Er verschlang die Gebete, Lob und Segen förmlich. Gottes Wohlwollen bedeute ihm viel.
Nachdem mehr als zweihundert Kehlen das letzte Amen durch den Wald hatten schallen lassen, erhob er sich und ging zur immer noch knienden Joanna hinüber. »Ich überlasse dich der Obhut Gottes und des guten Captain Bolt, königliche Schwester. Unser Feind wird unterworfen, und du und ich werden uns in Saint-Gilles wiedersehen, wenn nicht schon früher. Mögen die Heiligen freundlich auf uns niedersehen.« Er zog sein Schwert und reckt es in die Höhe. »Für Jesus Christus!«
»Für Jesus Christus«, wiederholten seine Männer.
Er ist großartig, dachte Adelia, aber sein Element ist die Schlacht. Gott bewahre uns vor ihm.
Ein Ritter in voller Rüstung kam zu ihr geritten. Der Helm mit dem Nasenschutz machte ihn wie all die anderen unkenntlich. Aber seine Stimme war ihr vertraut, auch wenn die Verse, die er sang, hässlich waren.
»Streitkolben und Schwerte, Helme verschiedener Wappenfarben,
Schilder zerrissen und zerschlagen im Kampf,
die Rösser der Toten und Verwundeten liefen ziellos umher,
Männer, groß und klein, taumelten in die Gräben,
Tote mit Lanzenstäben in ihren Rippen …«
Sein Kettenhemd rasselte, als Sir Guillaume von seinem Pferd stieg, den Helm abnahm und unter den Arm klemmte. »Ich ziehe in den Krieg, meine Dame, aber mein Herz lasse ich bei Euch. Ich bitte um ein Andenken, das mit mir begraben werden soll, falls ich sterbe.«
Oh, du junger Idiot. Ihr Herz flog ihm zu, sein Gesicht strahlte vor Erregung. Dass er einer von denen im Graben mit einer Lanze in der Brust werden könnte, kam ihm
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