Der Fluch der Totenleserin totenleserin4
zwitscherten, als wollten sie Aveyron warnen, dass die Irrgläubigen entkommen waren. Überquerten ihn. Ritten in einen Wald. Wurden nicht langsamer. Gott, lieber Gott, vergib mir meine Sünden. Lass uns nicht verbrennen, lass uns nicht verbrennen. Sei uns gnädig.
Sie schlängelten sich durch den Wald, ritten durch Bachbette, um die Spürhunde abzuschütteln, die in der Ferne kläfften. Sie sprengten Geröllhänge hinauf, und das Gestein schepperte laut unter den galoppierenden Hufen. Hielten nicht an, hielten nicht an. Nur einmal, da sahen sie im Schutz eines Felsvorsprungs, wie ein Trupp Reiter am Horizont seine Hunde anfeuerte, sie zu suchen. O’Donnell und Deniz hielten ihren Hunden die Schnauzen zu, damit sie nicht auf das Kläffen antworteten.
Weiter. Unter einer blassen Sonne, die anklagend auf sie herabsah, in den nächsten Schatten. Hielten nicht an, hielten nicht an. Auf und ab durch eine Landschaft, die sich um sie auftürmte, um ihnen das Vorankommen zu erschweren. Weiter, bis sie anhalten
mussten,
ob sie nun in Flammen sterben würden oder nicht … Aber der Ire verbot es ihnen: »Noch nicht. Wir sind ihnen noch nicht entkommen.«
»Wir müssen«, flüsterte Adelia. »Das Baby.« Gott allein wusste, ob das Kind noch mehr ertragen konnte, Boggart konnte es sicher nicht. Das Mädchen war halb bewusstlos.
»Noch nicht. Wir sind ihnen noch nicht entkommen.«
Durst. Kurz Wasser aus einem Bergbach in den Mund schöpfen, Pferde und Maultier die Schnauzen darin versenken lassen. Weiter, weiter. Durchgerüttelt, sich festklammernd, O’Donnell und Deniz zogen die Pferde, die zu stolpern begannen, unerbittlich weiter.
Dunkelheit, Kälte. Der Klang tropfenden Wassers. Eine Höhle. Sie waren alle drin. Eine Pause. Bitte, Gott, die letzte.
»Das sollte gehen«, sagte O’Donnell.
Es war eine wundervolle Höhle, wie die Flüchtenden feststellten, als sie sich etwas erholt hatten. Dazu brauchten sie Zeit, Ruhe, Essen und viel vom Wasser des klaren, kalten Sees inmitten ihrer Zuflucht.
Der Boden bestand aus schwärzlicher Erde voller großer runder Kiesel, und obwohl der Eingang der Höhle niedrig war, erhoben sich ihre Wände doch fast zur Höhe einer Kathedrale, mit einem Echo, dass Adelia an den Tunnel vor den Zellen erinnerte.
»Ein Land der Höhlen, dieses Languedoc«, erklärte O’Donnell ihnen: »Es wird von Löchern durchzogen wie ein von Käfern zerfressener Käse.«
Aber wie, fragte Adelia sich, wie hat er diese Höhle hier gefunden? Es gab keine Gelegenheit, ihn zu fragen. Kaum, dass sie sich erholt hatten, kamen Mansur, Rankin und Ulf mit zahllosen anderen Fragen.
»Nun, dass da fünf Katharer behaupten sollten, zu Prinzessin Joanna zu gehören, das kam mir komisch vor. Peter, erinnert Ihr Euch an Peter, der uns immer beim Essen bedient hat? Als Peter mir von Aveyrons Brief erzählt hat, wollte ich mich versichern, dass es nicht Ihr fünf wart – im Gegensatz zu anderen, denen es egal war. Ich hinterließ Nachricht in Figères, dass ich nach Saint-Gilles vorausreiten wolle, um alles für die Seereise vorzubereiten. Stattdessen sind Deniz und ich dann zum Stall geritten, der niedergebrannt war, zusammen mit Ermengardes Haus. Nun, ein Nicken ist für einen Blinden so gut wie ein Zwinkern, wie meine Großmutter immer zu sagen pflegte.«
»Aber wie habt Ihr uns gefunden?«
»Dank des stinkenden Straßenköters«, sagte O’Donnell. »Neben dem Haus haben wir den Schuh ihrer Ladyschaft gefunden, nur war
Euer
Duft längst verflogen. Aber der Gestank dieses Köters würde selbst einen Meeressturm überleben, und er hat den Kopf nun mal ständig auf ihren Füßen gehabt. Also hab ich den Schuh einem meiner Hunde zu riechen gegeben, und? Hat er uns nicht quer über die Berge geführt? Und tatsächlich, da stand unsere kleiner Stinker und winselte, weil er in den Palast reinwollte. Dankt ihm dafür!«
Adelia rieb die Wange am Kopf des Hundes in ihren Armen. Ward hatte das Ausharren vor dem Palast böse mitgenommen, er konnte kaum noch laufen und hatte während der Flucht zwischen den Taschen des Maultiers untergebracht werden müssen. Obwohl er sich langsam erholte, konnte ihn Adelia kaum loslassen, und da sie beide, Hund wie Herrin, ähnlich verdreckt waren, machte es nichts, ihn zu streicheln, wie er es verdiente.
Aber natürlich war es der Ire, dem sie alle mit jeder nur erdenklichen Beteuerung dankten. Er und Deniz hatten den Palast ausgekundschaftet, einen Plan entworfen, es mit ihren
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