Der Fluch der Totenleserin totenleserin4
Seilen – »Keine wichtige Unternehmung ohne ausreichend Seile und ein Maultier, das sie einem hinterherträgt!« – geschafft hineinzukommen und sie alle damit auch wieder herausgebracht.
»Aber woher wusstet Ihr, wo ihm Palast wir waren?«, fragte Ulf.
Stolz wie ein Pfau drückte sich der Ire die Daumen unter den Hemdkragen. »Wir haben uns in ein Wirtshaus gesetzt, Deniz und ich, zwei unschuldige Pilger auf dem Weg zum Schrein von Rocamadour und sorglos mit ihrem Geld. ›Ist das hier nicht die schönste Stadt und der großartigste Palast, den du je gesehen hast, Deniz?‹ ›Aber sicher ist er das, Master. Ich frag mich, wie’s drinnen in ihm wohl aussieht.‹«
Er ließ die Hände sinken. »Aber das wär alles gar nicht nötig gewesen. Die ganze Stadt hat noch von Ermengarde geredet – Gott sei ihrer armen Seele gnädig – und von den bevorstehenden Scheiterhaufen, allerdings ohne große Begeisterung, wenn ich das so sagen darf. Ist kein beliebter Mann, dieser Bischof von Aveyron. Es ging viel darum, ob Ihr nun in den Zellen unten, die auch nicht sehr beliebt sind, oder im Turm eingesperrt wärt. Am Ende wussten wir von jedem Mauseloch im Palast.«
Wer bist du?, dachte Adelia. Den flüchtigen Hinweis auf Ermengarde und ihren Feuertod hatte der Ire geradezu leichthin gemacht, und überhaupt wirkten seine Erklärungen fast so, als wäre ihre Rettung aus einer Laune heraus erfolgt. Dabei verlangte das, was er getan hatte, eine Entschlossenheit, die kaum zur Unverbindlichkeit ihrer bisherigen Bekanntschaft passte. Er hatte sie unter beträchtlicher Gefahr für sich und Deniz aus dem Kerker geholt.
So stellte sie denn die für sie so augenfällige Frage: »War es der Bischof von St. Albans, der Euch geschickt hat? Wo ist er?«
»In Italien, Mylady.« O’Donnells Blick glitt zu ihr. »Er ist direkt weiter in die Lombardei, wie von König Henry befohlen. In Palermo stößt er wieder zu uns. Wenn er’s überlebt.«
Ulf sagte: »Er weiß also nicht mal …?«
»Von Eurer Entführung? Nein. Er denkt immer noch, Ihr seid auf dem Weg zurück nach England. Und wer soll ihm was anderes erzählen …?« Sein Blick glitt wieder zu ihr. »Obwohl ich sicher bin, wenn er von der Sache erfahren hätte, wäre er spornstreichs hergeeilt, um Aveyron was auf die Ohren zu geben und Euch da herauszuholen.«
Ulf fragte, warum das Bischof von Winchester das nicht getan habe, warum man sie im Stich gelassen habe … irgend so etwas. Adelia hörte nicht mehr zu.
Sie stand auf und wanderte zum Höhlensee. Sie zog die Schuhe aus, von denen einer durchgelaufen war – ekelhaft waren sie beide – und trat ins flache, eisige Wasser.
Der König zuallererst und vor allen anderen. Niemals sie. Ich hätte sterben können. Ihre tiefe Verbitterung mochte ungerecht sein – Rowley hatte von der Gefahr, in der sie sich befunden hatten, nichts gewusst – aber sie spürte sie, Gott, wie sie diese Verbitterung spürte.
Ich hätte sterben können, und dass ich nicht gestorben bin, und auch die anderen nicht, verdanke ich einem mir praktisch fremden Menschen.
Reglos stand sie da, bis sich das Wasser wieder ganz beruhigt hatte, und so schwach das Licht auch war, konnte sie sich in der glatten Oberfläche doch erkennen.
Wie sie nur aussah! Ihr Haar war wie Brombeergestrüpp und das Gesicht darunter von Schmutz und Verzweiflung entstellt. Was war mit dem Tuch, das Ermengarde ihr geliehen hatte?
»Nur Mut gefasst!«, sagte der Ire, der zu ihr herübersah. »Wir sind schon halb in Palermo.«
Nicht nach Palermo. Ich will zu Allie. Den Blick immer noch aufs Wasser gerichtet, sagte sie: »Ich weiß nicht, warum Ihr getan habt, was Ihr getan habt, aber ich danke Euch dafür. Im Namen von uns allen danke ich Euch aus tiefstem Herzen.«
Er wandte sich ab. »Ihr werdet ein neues Paar Schuhe brauchen«, sagte er.
Wolf bellt in Scarrys Kopf. »Wie sind sie entkommen? Wohin ist sie?«
»Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht. Hör auf, Geliebter! Du tust mir weh.«
Es sind die Würmer. Sie winden und zwängen sich durch Löcher in seinem Hirn, er kann nicht denken vor Schmerz.
»Du hast es versprochen.«
»Katharer müssen sie befreit haben.«
»
Finde sie! Zerstöre sie! Ich bin du, und du bist ich, für immer.
Homo homini lupus.«
»Ich werde es, ich werde es. Wirst du Frieden geben, wenn ich es tu?«
»Oh ja, dann leben wir beide in Frieden.«
Aber die Würmer hören nicht auf zu krabbeln, was Scarry auch tut. Am
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