Der Fluch des Andvari (German Edition)
dir bestimmt sehr gut“, machte sie ihr Mut.
Verlegen betrachtete Hannah den Ring, bevor sie ihn sich langsam auf den rechten Ringfinger steckte.
„Steht dir ausgezeichnet“, bemerkte Beate.
Hannah spürte die Hand ihrer Freundin auf der Schulter. Zärtlich streichelten ihre Finger sie. Verwirrt sah Hannah auf und blickte in Beates Gesicht. Ein lüsternes Funkeln lag in den dunklen Augen. Augenblicklich wehrte sich Hannah gegen die Verzückung. Nein, sie wollte sich nicht einfangen lassen, nicht jetzt. Der Ring war wie eine Fessel. Er weckte böse Erinnerungen an ihre treulosen Ehemänner.
Doch sie schaffte es nicht, sich davon zu befreien. Jäh schwirrten leise Stimmen durch ihren Kopf, Worte in einer fremden Sprache. Erst war es nur ein Wispern, dann wurde der Wortwechsel immer heftiger und lauter. Verwirrt sah sich Hannah um. Ein mystisches, grünliches Licht erfüllte das Gewölbe. Filigrane Blitze zogen knisternd über die Decke, breiteten sich über die Wände aus. Hannah verharrte gebannt.
Was geschah hier?
Sie spürte, wie ihre rechte Hand angehoben wurde, ohne dass sie es wollte. Mehr und mehr ergriff eine fremde Macht Besitz von ihr. Hannah konnte sich nicht dagegen wehren. Die ersten Blitze zuckten hernieder, trafen den Ring, der an ihrem Finger steckte. Ein mystisches Schauspiel. Die Energie schlug auf die Wand vor ihr über. Hannah glaubte ihren Augen nicht zu trauen. Mit einem Mal schienen alle Wände um sie herum durchsichtig wie Glas. Stein neben Stein zeichnete sich ab, dahinter endloser Sand. Als schaue Hannah durch ein Röntgengerät. Und hinter der Nordwand zeichnete sich tatsächlich ein Gang ab, eine schmale Passage, die von Ost nach West verlief. War das der Gang, den Professor Neumann entdeckt hatte? Er schien zum Greifen nahe. Hannah brauchte nur ihre Hand ausstrecken. Das tat sie. Die Blitze zuckten wild umher, sprangen vom Ring auf die Wand über. Hannah hielt den Atem an. Ihre Hand tauchte in den Stein ein, als wäre er aus Butter. Dann folgte der Arm. Hannahs Herz schlug wild. Sie wagte es, machte einen Schritt nach vorn. Unvermittelt fand sie sich zwischen den Steinen wieder, als wären sie gar nicht existent.
Julia und Beate standen völlig verwirrt in dem Gewölbe.
„Kommt“, forderte Hannah, ohne über ihre Worte nachzudenken.
„Mama, was ...?“, stotterte das Mädchen.
„Kommt“, wiederholte sie, „bevor der Zauber verschwindet.“
Abrupt packte Beate die verstörte Julia, schob sie auf ihre Mutter zu. Sie stießen aneinander, stolperten in den Korridor. Schlagartig verschwanden die Blitze, die Wand war wieder real. Totale Dunkelheit umgab sie.
„Mami!“, kreischte Julia. „Wo bist du?“
„Hier.“ Sie tastete nach ihrer Tochter, fühlte den kleinen Körper.
„Ich habe Angst!“, jammerte das Mädchen. „Mami!“
„Ich bin bei dir, hab keine Angst.“ Fest schloss sie ihre Tochter in die Arme, spürte ihr Zittern. „Alles wird gut.“
Ein Lichtkegel durchschnitt die Dunkelheit. Beate leuchtete mit einer Taschenlampe. „Wo sind wir?“
„Ich ... weiß es nicht“, stotterte Hannah. „Was ... was war das für ein ... Zauber?“
„Hier sind Mächte am Werk, die wir nicht begreifen“, entgegnete Beate düster.
Es war wie eine dunkle Vorahnung. Rasch schaltete Hannah ihre Taschenlampe ein und leuchtete in den Gang. Sie wagte kaum zu atmen vor Spannung. Ihr Herz pochte. Ihre Hand krampfte sich um den Griff.
Die Luft war feucht, es war ungewöhnlich warm. Moos wucherte an dem verwitterten Gestein, das teilweise mit Eisenoxid und Schimmel überzogen war. Spinnwebfäden hingen überall. Glitzernde Gegenstände im Sand reflektierten das Licht der Taschenlampen. Dunstschleier zogen sich an den Wänden entlang. Das Ende des Stollens ließ sich im Lichtschein nicht ausmachen.
Julia klammerte sich an ihre Mutter. „Ich will hier weg.“
„Wir werden einen Ausweg finden“, entgegnete sie mit leicht zitternder Stimme.
„Wir sind bestimmt in dem verschollenen Stollen, der zu den Katakomben der Nibelungen führt“, stellte Beate fest.
„Aber unter dem Dom gibt es nichts“, erwiderte Hannah.
„Jedes alte Bauwerk hat seine Geheimnisse.“
Schützend hielt Hannah ihre Tochter im Arm. „Ich bin bei dir, Prinzessin, und pass auf dich auf.“
Julia erwiderte vor Furcht und Anspannung nichts. Langsam ging Hannah weiter. Der Sand knirschte unter ihren Schuhen. Die glitzernden Gegenstände am Boden entpuppten sich als Goldmünzen. Wer hatte sie hier
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